Catpower: Das ultimative Körperbuch (German Edition)
dem Brückenpfeiler auf der anderen Seite. Natürlich berührt die Außenseite des Fußes dabei den Boden – ja, leicht, natürlich, ohne Druck und ohne Technik.
Adriano P. 8 kaufte sich Spezialschuhe. Der Orthopäde meinte, er müsse auf der Außenseite abrollen. Das machte Adriano P., mit großer Konzentration. Trat auf die Ferse auf, rollte auf der Außenkante des Fußes ab. Prompt bekam er Probleme mit den Kniegelenken und den Hüftgelenken, und die Großzehe hing die ganze Zeit in der Luft. Ich zeigte ihm den Abdruck eines gesunden Fußes. Erklärte ihm, dass der Orthopäde wohl meinte, es sei nicht der ganze Fuß flach zu drücken, sondern eben nur der außenseitige Teil des Fußes, der Bodenkontakt hat.
»Aha«, sagte Adriano P., »das leuchtet ein.« Wir machten Gelenkmobilisationen, renkten das Becken ein, entspannten die Hüft- und Gesäßmuskulatur, verschraubten die Beinachse wieder ordentlich. Adriano malte sich mit wasserfesten Farbstiften die horizontalen Linien auf dem Fersenbein und in der Kniekehle an, daran kann er sich halten, das kann er verändern. Er kann sich beim Laufen kopfunter dehnen und die Linien kontrollieren. Fällt er wieder auf die Außenkante, so fallen die Linien auf der Ferse nach außen ab, etwa so: / \. Die Beine nehmen die O-Form an. Umgekehrt, bei X-Beinhaltung, fallen die Linien von außen nach innen ab, das sieht dann in der Übertreibung so aus: \ /.
In der perfekten Aufspannung verlaufen die Faltenlinien horizontal, gerade. Die Aufrichtung des Fersenbeins hat, wie die Stellung der Füße, Auswirkungen auf die Gelenke entlang der Beinachse und auf die Stellung des Beckens. Stimmen Beinachse und Fußausrichtung, so kann das Becken in seiner optimalen Form stehen, unten schmal, oben weit. Die Organe haben Raum im Becken, werden von der schalenartigen Aufrichtung gehalten. Der Levator Ani ist in dieser anatomisch perfekten Ausrichtung schon leicht aktiviert. Wieso das so ist, kann ich nur vermuten: In Woche sieben während der Schwangerschaft wächst der Fuß direkt aus dem Neuralrohr, in dem sich das Rückenmark, der Zentralnerv und die Wirbelsäule bilden. Diese nahe Verwandtschaft bleibt bestehen, auch wenn sich später noch so lange Beine zwischen Becken und Fuß schieben. Die Nerven im Fuß stammen direkt aus dem Kreuzbein.
Stöckelschuhe sind albern
Flughafen Zürich. Halb sechs Uhr morgens. Die junge Frau ist bildschön. Lange, blonde Haare, schön geschnittenes Gesicht. Sie ist groß und sehr schlank, ein Typ Frau, den es vor 30 Jahren noch nicht gab. Ich bin begeistert von dem, was die Globalisierung an Schönheit und Perfektion hervorbringt, kann mich nicht satt sehen an der Jugend. Schwarze Jeans, ein figurumspielendes Oberteil mit imposantem Ausschnitt.
Die Frau steht auf, das heißt, sie versucht es. Sie schiebt sich mit beiden Händen vom Sessel hoch, knickt ab nach links, knickt ab nach rechts, ihr Begleiter streckt seinen Arm aus, die Frau klammert sich daran, stemmt sich hoch. Der Grund für die Ungelenkigkeit ist schnell ausgemacht: kniehohe schwarze Lederstiefel mit schwindelerregend hohen Absätzen. Die Schöne stakst Richtung Toilette. Unsicher, wacklig, Becken vorgeschoben, Schultern hochgezogen, der kleine Hintern wirkt viel zu schlaff für den knackigen Körper, er wird von der engen Jeans flach gedrückt.
Vielleicht hat sie ja die dumme Studie gelesen und ist überzeugt, sie absolviere da frühmorgens ein Beckenbodentraining. Wahrscheinlich hatten die Stiefel keinen Platz im Gepäck und mussten angezogen werden. Vielleicht wünschte sich der Begleiter, dass sie die geilen Dinger trug. Es sieht, pardon, einfach nur albern aus.
Ich trug auch Hochhackige, jahrelang. Schlimmer noch, 1972 konnten Sie mich in einer Boutique an der Zürcher Bahnhofstrasse in goldfarbenen Schuhen mit Plateausohlen sehen. Ich meine aus der Erinnerung, ich hätte die bescheuerten Dinger extrem sicher und gut gesteuert. Angesichts der jungen Schönen frühmorgens vor dem Abflug nach Ibiza kann ich mir vorstellen, dass ich genauso unsicher stakste und die Blicke nicht bewundernd, sondern bedauernd gemeint waren... (Hier fällt mir auf, dass ich Sie zum vierten Mal mit in den Urlaub nehme. Das kommt davon, dass ich in Zürich nur arbeite und nichts zum Beobachten habe.)
Es ist nicht möglich, koordiniert im Kreuzgang zu gehen, wenn das ganze Gewicht des Körpers auf dem Quergewölbe lastet. Der Körper muss eine vollkommen veränderte Statik ausbalancieren. Der
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