Cedars Hollow (German Edition)
um endlich Gewissheit zu haben.
„Deine Mutter ist tot, Hazel“, sagte er sanft. „Niemand kann sie zurückbringen. Kein Mensch und auch kein Vampir. Und selbst, wenn es mir möglich wäre, würde ich es niemals tun. Aus einem g u ten Menschen einen Vampir zu machen, das ist … schlimmer als Mord.“
Ich wich seinem Blick aus, denn plötzlich schämte ich mich für meine Frage.
„Versteh mich nicht falsch“, fuhr er fort. „Wenn es irgendeinen n a türlichen Weg gäbe, den Tod deiner Mutter ung e schehen zu machen, würde ich es ohne zu zögern tun. Ich wü r de mein Leben dafür geben. Aber einen Vampir zu erschaffen, aus einem Menschen ein Mon s ter zu machen, das könnte ich nicht.“
„Tut mir leid. Es war dumm und egoistisch, danach zu fr a gen.“ Ich wischte mir hastig über die Augen.
„Nein. Nur ehrlich.“ Er lächelte.
„Du musst mich für eine Heulsuse halten.“
„Nein. Das Einzige, was mir nicht aus dem Sinn will, ist die Frage, was ich für dich tun kann.“
„Du hast schon so viel getan.“
„Aber nicht genug.“ Er zögerte. „Wenn du wüsstest, wie es in mir aussieht. Es ist für mich unerträglich, dich weinen zu sehen.“
„Oh. Tut mir leid.“
„Nein, so meine ich das nicht!“, sagte er schnell. „Es ist nur so … Wenn du traurig bist, macht mich das unglücklich.“ Es klang so, als wäre sein Geständnis ihm peinlich.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und lief rot an. Seine Worte überraschten mich, ich schaute schnell zur Seite. „Oh. Also keine Tränen in deiner Gegenwart.“ Ich versuchte, munter zu klingen, um die plötzliche Anspannung zu zerstreuen.
Noch immer neben meinem Stuhl kniend, lächelte er. „Du weißt schon, wie ich das meine.“
Ich lächelte auch.
„Es ist so verwirrend, plötzlich wieder einen Menschen um sich zu haben“, sagte er. „Ich hätte nie gedacht, dass mir das passieren wü r de.“ Er zögerte. „Fürchtest du dich nicht vor mir?“
„Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, hatte ich Angst. A ber jetzt nicht mehr.“
Sein Lächeln wurde strahlender. „Ich weiß, dass mich das nicht freuen sollte, aber es ist so.“
„Wie ist es, ein Vampir zu sein?“, stellte ich die Frage, die mir schon seit Tagen nicht aus dem Kopf gehen wollte. „Kannst du es beschreiben?“
„Ich weiß nicht genau, ob ich es in Worte fassen kann. Als ich zum Vampir wurde, hat sich das alles unglaublich angefühlt. Me i ne Sinne wurden schärfer, ich roch, hörte und sah Dinge, die ich als Mensch nie wahrgenommen hatte. Am Anfang war es aufregend. Jetzt ist es fast unerträglich.“
„Warum?“
„Weil ich mich ständig verstecken muss. Weil ich einsam bin. Weil ich alles kenne und weiß, was ich jemals kennen und wi s sen wollte. Irgendwann wird das Leben einfach … langweilig. Und dann ist da noch dieses Schuldgefühl, das ich nicht loswerde.“ Er sprach inzw i schen so leise, dass ich ihn kaum noch verstehen konnte.
„Wieso solltest du Schuldgefühle haben?“
„Ich trinke Blut.“
„Aber nur, weil du musst.“
„Das tut nichts zur Sache. Diese Schuld muss ich auf mich ne h men, ob ich will oder nicht.“
Ich überlegte eine Weile. Ich war nicht seiner Meinung, traute mich aber nicht, ihm zu widersprechen. „Es gibt da eine Frage, die mir nicht aus dem Kopf gehen will“, sagte ich stattdessen.
„Und die wäre?“
„Wie alt bist du?“
Für den Bruchteil einer Sekunde senkten sich seine Lider. Als er mich wieder ansah, verlor ich mich für einen Augenblick in der tiefen Schwärze seiner Augen. „Ich wurde 1893 als Jonathan Duveil in London geboren.“
Corvus’ Geschichte
I ch hatte etwas in dieser Art erwartet, doch trotzdem erstau n ten seine Worte mich zutiefst.
„Mein Vater wollte immer, dass ich Medizin studiere“, fuhr Corvus fort. „Also begann ich mit zwanzig mein Studium an der University of London. Ich schätze, ich hätte später mal einen fähigen Arzt abg e geben. Aber dann kam alles anders.“
Er warf mir einen abschätzenden Blick zu. Ich nickte in der Hof f nung, dass ihn das ermutigen würde, weiterzusprechen.
„An einem Abend im Herbst zog ich mit einigen St u denten durch die Pubs in unserer Gegend. Ich war ziemlich betru n ken und kann mich deshalb nicht mehr an jedes Detail erinnern. Es war schon spät, als ich mich auf den Weg zurück zu meiner Univers i tätsunterkunft machte. Ich war allein, die anderen saßen immer noch in einer der Kneipen und feie r ten weiter.
Weitere Kostenlose Bücher