Cedars Hollow (German Edition)
geht’s dir?“ Besorgnis lag in seiner Stimme.
„Alles okay“, log ich. Erst jetzt begann ich zu zittern, es war eine Nachwirkung des Schocks. Ich hätte nie gedacht, dass A dam so etwas versuchen würde.
„Hau ab“, grollte Corvus Adam zu, als dieser zögerlich in u n sere Richtung schaute.
Adams Miene verhärtete sich. Er rieb sich die Kehle und wandte sich von uns ab. „Elender Verrückter“, murmelte er. „Freak. Das wird dir noch leid tun.“
Corvus ignorierte ihn und wandte sich wieder mir zu. „Du siehst nicht gut aus. Ganz blass.“
„Bin ich immer.“
„Du solltest was essen.“
Ich schüttelte hastig den Kopf. Der Gedanke an Essen brac h te die alte Übelkeit zurück.
Er sah mich forschend an. „Wann hast du zum letzten Mal was g e gessen?“
Ich versuchte krampfhaft, mich daran zu erinnern, bis ich feststel l te, dass ich es nicht konnte. Einzig die Pasta bei Joanne kam mir ins Gedächtnis, aber die hatte ich wie üblich nicht bei mir behalten kö n nen.
„Ist schon ’ne Weile her“, gab ich zu.
„Komm mit.“
Inzwischen hatte der Nebel, der mir heute Morgen die Sicht g e raubt hatte, sich glücklicherweise verflüchtigt. Wäre es anders gew e sen, hätte ich Corvus’ Gestalt innerhalb von Sekunden aus den Augen verloren.
„Wo gehen wir hin?“
„Das wirst du gleich sehen.“
Meine verschwommene Ahnung bestätigte sich, als wir inne r halb von Minuten den kleinen Supermarkt der Stadt erreichten. Corvus bedeutete mir, draußen auf ihn zu warten. Nach fünf Minuten kam er mit einer braunen Papiertüte unter dem Arm zurück. Seine Miene wirkte jetzt wieder ein wenig entspannter.
„Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns irgendwo hinsetzen“, sagte er.
Ganz in der Nähe der Wood Lane gab es einen winzigen Park, den wir jetzt ansteuerten. Im feuchten Gras wäre ich beinahe ausg e rutscht, aber Corvus hielt mich fest. Erst in diesem Augenblick fiel mir auf, wie zittrig meine Knie waren.
Wir setzten uns auf eine Parkbank, die im Schatten eines Baumes stand.
„Ist dir kalt?“, fragte Corvus mich.
„Es geht schon“, erwiderte ich und unterdrückte das schwache Zi t tern, das meinen Körper durchlief. Es rührte nicht von der Kälte her.
Corvus’ Augenbrauen wanderten nach oben. Er schälte sich aus seiner schwarzen Wolljacke und legte sie mir um die Schu l tern, die bereits in meiner eigenen Jacke steckten.
„Danke“, sagte ich. „Aber was ist mit dir?“
Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte er. „Ich friere nicht so schnell.“
Ich lächelte zurück. „Es fällt mir wirklich schwer, mich daran zu gewöhnen, dass du keine Wärme brauchst wie ein Mensch.“
Unsere Blicke trafen sich für einen kurzen Moment, und mir war, als wären wir für einige Sekunde zu einer einzigen Person verschmo l zen. Ein Gefühl der Leichtigkeit durchflutete mich, eine Leichtigkeit, die ich nicht mehr erlebt hatte, seit ich meine Mom zum letzten Mal in den Armen hielt.
„Manchmal sehne ich mich nach Wärme“, flüsterte Corvus.
Zaghaft näherte ich meine Hand seinem Arm und strich ihm mit den Fingerspitzen vorsichtig über den Handrücken. Als ich aufscha u te, nahm er meine Hand in seine und hielt sie fest u m schlossen. Mir wurde warm, und ich fühlte meinen Pulsschlag dort, wo er mich b e rührte.
Spürte er das auch, dieses Zittern, diese Sonne? Empfand er das Gleiche wie ich, oder war es ihm unangenehm? Seine B e rührung durchflutete mich mit einem Gefühl, als ob ich nach langer Abw e senheit endlich nach Hause zurückgekehrt wäre, oder als sähe ich nach einer besonders langen, dunklen Nacht den Sonnenaufgang.
Eine Weile saßen wir schweigend da, und ich genoss die pr i ckelnde Wärme und seine Nähe. Es war kalt und feucht, aber das störte mich nicht. Immer wieder huschte Corvus’ Blick zu mir, als wollte er sich vergewissern, dass ich noch da war.
Schließlich entzog er mir sanft seine Hand. Das Lächeln, das sich über sein Gesicht legte, verwirrte und überraschte mich zugleich.
„Geht’s dir wieder ein bisschen besser?“, fragte er.
Ich nickte, vermisste seine Hand aber schon jetzt.
Corvus’ Lächeln wurde strahlender. Er griff nach der braunen P a piertüte und nahm nacheinander eine Dose Cola, eine Ora n ge und einen Schokoriegel heraus.
„Du willst hoffentlich nicht, dass ich das esse, oder?“, fragte ich entsetzt.
Er sah mich ungläubig an. „Nach dem, was dir gerade passiert ist, ist das das Einzige, worum du dir Sorgen machst?“ Er
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