Cedars Hollow (German Edition)
zuvor berührte ich mit den Fingerspitzen seine Hand, diesmal allerdings die verletzte. Für einen Moment spannte sein Körper sich an, doch dann ließ er es zu. Ich folgte der Linie seiner Adern, die sich leicht von seiner Haut abhoben, dann drehte ich seine Hand behu t sam herum, so dass ich seine Handfläche betrachten konnte. Als meine Finger sein Handg e lenk streiften, zuckte er plötzlich zurück und entwand sich meinem Griff. Hastig zog er die Ärmel seines dunklen Rollkrage n pullovers noch weiter über seine Handgelenke. Offenbar wollte er nicht, dass ich die Kratzer sah, die sie bedeckten.
„Es fängt an zu regnen“, sagte er.
Tatsächlich fielen ein paar Regentropfen und hinterließen schwarze Flecken auf dem Kiesweg, der durch den Park führte. Langsam wu r de das Tröpfeln stetiger und intensiver.
„Wir sollten gehen.“
Ich nickte nur, und wir standen auf, gingen den Kiesweg en t lang und verließen den Park. Im Gehen gab ich Corvus seine Jacke z u rück, und er hängte sie zerstreut über seinen Arm. Ich zog mir die Kapuze über den Kopf und ging schweigend neben ihm her. Ich hätte gerne wieder seine Hand genommen, traute mich aber nicht. Obwohl uns nur Zentimeter trennten, erschien mir diese Distanz unüberwindlich, und je länger ich darüber nachdachte, mich im nächsten Moment einfach in seine Richtung zu bewegen, desto wen i ger konnte ich es.
Er brachte mich bis vor die Haustür, wo er sich von mir vera b schiedete. Sein Lächeln war zurückgekehrt, worüber ich mehr als erleichtert war. Es war kaum zu fassen, welche Macht seine Sti m mungsschwankungen über mich hatten; war er niederg e schlagen, war ich es auch, lächelte er, tat ich dasselbe.
„Bis bald.“ Er sprach so sanft, dass mir für den Bruchteil einer S e kunde die Luft wegblieb.
„Danke für deine Hilfe. Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn Adam …“ Ich vollendete den Satz nicht; allein der G e danke an das, was hätte geschehen können, ließ mich erscha u ern.
„Schon okay.“ Er hielt inne. „Sollte er so was noch einmal vers u chen …“ Sein Körper versteifte sich, und er ballte die Hände zu Fäusten. In seiner Miene lag jetzt eine ganz klare T o desdrohung.
Ich schüttelte schnell den Kopf. „Das wird er ganz bestimmt nicht. Du hast ihm ziemliche Angst eingejagt.“
Corvus grinste spöttisch. „Das will ich auch hoffen.“
Ich zögerte. Die Wahrheit war, dass ich mich noch nicht von ihm verabschieden wollte. Ich wollte, dass er weitersprach, dass er mir irgendetwas erzählte, egal was. Ich wollte weiterhin seine Stimme hören, um mich an sie erinnern zu können, wenn ich in die Stille des Hauses zurückkehrte.
„Pass auf dich auf.“ Er lächelte und strich mir mit dem Finger eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn. Die Geste überraschte mich.
„Du auch“, gab ich zurück.
Er erwiderte nichts und sah mich an, als wollte er sich meine G e sichtszüge genau einprägen. Dann murmelte er ein leises „Mach’s gut“, drehte sich um und ging durch den immer stärker werdenden Regen davon.
Ich sah ihm nach, während dicke Wassertropfen auf den A s phalt prasselten und meine Kleidung durchweichten. Erst, als seine dunkle Gestalt hinter einem Schleier aus Regen ve r schwunden war, ging ich ins Haus.
Damon
A m nächsten Morgen wäre ich am liebsten im Bett liegen gebli e ben, um Adam nicht wiedersehen zu müssen. Ich hatte Angst davor, was passieren könnte, wenn wir uns in der Schule zufällig über den Weg liefen.
Aber es half alles nichts; ich musste zur Schule. Ich brauchte die Ablenkung, um nicht alle paar Minuten an ein blasses Gesicht, u m rahmt von dunklem Haar denken zu müssen. Ich dachte immer hä u figer an ihn, war beinahe schon abhängig von ihm. Was würde passi e ren, wenn er sich wieder dazu entschli e ßen sollte, dass es besser war, wenn wir uns nicht sahen?
In seiner Anwesenheit gestern hatte ich zum ersten Mal seit zwei Monaten nicht ständig an meine Mom gedacht. Ich hatte nur ein einfaches und gleichzeitig warmes Gefühl von Zufriedenheit em p funden. Und ich wollte es wieder spüren, wollte Corvus unbedingt wiedersehen.
Ich zog mich schlaftrunken an und ging runter in die Küche. Hastig schlang ich ein paar Bissen Toast hinunter und trank einen Schluck Milch, um das kratzige Gefühl in meinem Hals zu vertreiben, das sich über Nacht bemerkbar gemacht hatte. Während ich am Küchentisch saß, fiel mein Blick auf die Zeitung von heute. Mein Dad war
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