Celaenas Geschichte 03 - Throne of Glass
Beine breit mache.« Ein billiger Seitenhieb, aber Lysandras Augen blitzten. Celaena warf ihr ein rasiermesserscharfes Lächeln zu. Dabei hatte sie gar nicht vorgehabt, sich noch länger mit Sam zu unterhalten oder ihn einzuladen, ihr beim Üben des Musikstücks zuzuhören, dessen Noten er ihr besorgt hatte, oder auch nur eine Minute mehr Zeit mit ihm zu verbringen als absolut notwendig.
Sam schluckte. »Lass uns zusammen zu Mittag essen, Celaena.«
Lysandra schnalzte mit der Zunge und nölte im Davongehen: »Warum solltest du mit ihr zu Mittag essen wollen?«
»Ich habe zu tun«, gab Celaena zurück. Das war nicht gelogen; sie musste tatsächlich ihren Plan fertig ausarbeiten, wie sie bei Doneval einsteigen und mehr über seine Unterlagen herausfinden wollte. Sie deutete mit dem Kinn auf Lysandra und den Salon hinter ihr. »Ich wünsch dir viel Spaß.«
Da sie nicht sehen wollte, wie Sam sich entschied, richtete sie den Blick auf den Marmorboden, die blaugrünen Vorhänge und die vergoldete Decke, während sie in ihr Zimmer hinaufstieg.
Die Mauer um Donevals Haus war unbewacht. Wo auch immer er heute Abend hingegangen war – seiner Kleidung nach zu urteilen wahrscheinlich ins Theater oder auf eine Party –, er hatte mehrere seiner Wachleute mitgenommen; seinen bulligen Leibwächter hatte sie allerdings nicht unter ihnen entdeckt. Vielleicht hatte er heute frei. Auf dem Gelände patrouillierten trotzdem noch mehrere Wachen, ganz abgesehen von denen, die sich drinnen aufhielten.
Obwohl Celaena es kaum ertragen konnte, dass ihr neuer schwarzer Anzug nass werden würde, war sie doch froh um den Regen, der bei Sonnenuntergang wieder eingesetzt hatte, selbst wenn das den Verzicht auf ihre übliche Maske bedeutete, um ihre vom Wetter behinderte Wahrnehmung nicht noch weiter einzuschränken. Glücklicherweise sorgte der starke Regen auch dafür, dass der Wachmann seitlich am Haus nicht merkte, wie sie direkt an ihm vorbeischlüpfte. Der zweite Stock befand sich ziemlich hoch oben, aber hinter dem Fenster war es dunkel und der Riegel ließ sich leicht von außen öffnen. Sie hatte bereits eine Skizze vom Haus angefertigt. Wenn sie alles richtig gemacht hatte – und da war sie sich sicher –, führte das Fenster direkt in das Arbeitszimmer im zweiten Stock.
Aufmerksam lauschend wartete sie, bis der Wachmann in die andere Richtung sah, bevor sie nach oben zu klettern begann. Ihre neuen Stiefel fanden sofort Halt an der Wand und ihre Finger spürten mühelos Ritzen auf. Der Anzug war etwas schwerer als die Tunika, die sie sonst trug, aber dank der eingebauten Waffen wurde sie nicht durch ein zusätzliches Schwert auf dem Rücken oder Messer um die Hüfte behindert. Sogar in ihre Stiefel waren zwei Messereingearbeitet – ein Geschenk von Arobynn, von dem sie häufig Gebrauch machen würde.
Der Regen dämpfte ihre eigenen Geräusche und bot ihr Schutz, allerdings galt das auch für jeden anderen, der sich näherte. Sie sperrte Augen und Ohren weit auf, doch keine anderen Wachen kamen um die Ecke des Hauses gebogen. Das zusätzliche Risiko war es wert. Nun, da sie wusste, um welche Zeit das Treffen stattfinden würde, hatte sie zwei Tage, um möglichst viel konkrete Informationen über die Unterlagen zu sammeln, nämlich wie viele Seiten es waren und wo Doneval sie versteckt hielt. In wenigen Momenten hatte sie den Sims des Arbeitszimmerfensters erreicht. Der Wachmann unter ihr sah nicht einmal am Haus hinter ihm hoch. Wirklich erstklassige Wachen.
Ein Blick nach drinnen zeigte einen dunklen Raum – einen mit Papieren übersäten Schreibtisch, sonst nichts. Doneval würde nicht so dumm sein, die Listen offen herumliegen zu lassen, aber …
Celaena schwang sich auf den Sims und das schlanke Messer aus ihrem Stiefel schimmerte matt, als sie es in den schmalen Spalt zwischen den Fensterflügeln zwängte. Zwei angeschrägte Stöße, eine Bewegung aus dem Handgelenk heraus und …
Der eine Fensterflügel quietschte leise, der andere schwang lautlos auf. Sie schlüpfte in das Arbeitszimmer, ohne mit den Stiefeln auf dem Teppich ein Geräusch zu machen. Vorsichtig, mit angehaltenem Atem, drückte sie die Fensterflügel wieder zu.
Sie spürte den Angriff in letzter Sekunde kommen.
7
C elaena wirbelte herum, duckte sich, zog sofort das zweite Messer aus ihrem Stiefel und stieß schnell zu wie eine Schlange – eine Bewegung, die sie in der Red Desert gelernt hatte. Der Wachmann ging stöhnend zu Boden und als sie das
Weitere Kostenlose Bücher