Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
stiegen zu ihm in das Warmwasserbecken.
„Warum Erraticus?“, fragte Lucius.
„Bitte?“ Saxum war irritiert.
„Warum nennst du meinen Vater Erraticus, den Umherirrenden?“
„Warum?“, fragte Saxum erstaunt. Dann ging ein durchtriebenes Grinsen über sein Gesicht.
„Klar, das hat er nicht erzählt. Bei einem Übungsmarsch hat Marcellus der Centurie richtig Dampf gemacht. Er wollte den Legionsrekord für die Tagesleistung brechen und hat sie über Stock und Stein gejagt. Eigentlich sollten wir nach zwei Tagen am nächsten Ort ankommen, dein Vater wollte ihn aber schon am nächsten Mittag erreichen.“ Saxum griff wieder nach dem Schlauch und trank einen Schluck. „Marcellus wuchs mindestens um eine Handbreit, als am Abend das Dorf vor uns lag. Wir Legionäre waren kurz davor zu kotzen, so hatte er uns gehetzt. Aber was machte er für ein blödes Gesicht, als er den Namen dieses Dorfes erfuhr! Es lag im Norden des Lagers, er aber hätte nach Westen marschieren sollen. Er hatte sich in der Richtung geirrt. Das blöde Gesicht war einmal Kotzen wert. Das werd ich nie vergessen, verflucht.“ Saxum schlug auf das Wasser vor Begeisterung
Lucius versuchte, sich seinen Vater vorzustellen, wie er vor dem Dorf stand und erfuhr, dass er in die falsche Richtung gerannt war. Er merkte, wie er trotz seines Widerwillens gegenüber Saxum grinsen musste. Syros schüttelte sich vor Lachen.
„Na ja, und letztes Jahr traf ich deinen Vater im Hafen von Massilia, wo ich als Gepäckträger arbeitete. Er war gerade auf dem Weg von Rom nach Arausio. Gnaeus sah die kahle Stelle auf meinem Kopf und das Scheuermal am Kinn. Und ich kam ihm wohl bekannt vor, also sprach er mich an. Na ja, dann verschaffte er mir hier am Hof eine Stelle. Besser als Gepäckträger, das sag ich euch. So, jetzt muss ich aber wieder!“ Saxum kletterte aus dem Becken.
„Was hast du für eine Stelle hier?“, fragte Lucius neugierig. Ihm schwante Böses, denn in den Weinbergen konnte er sich Saxum kaum vorstellen.
„Ich bin Ausbilder!“, verkündete er vergnügt. „Ich soll einen Verwandten des Alten fit für die Legion machen.“ Er ging in den Vorraum, wo die Kleider lagen. Lucius sah ihm entgeistert nach. Syros brach nach einer Weile das Schweigen: „Da kannst du sehen, wie Rom seine treuen Soldaten belohnt. Er hat ehrenvoll gekämpft, sogar gegen die Hexe Kleopatra, und endet als Tagelöhner im Hafen.“
Lucius wiegte nachdenklich den Kopf. „Du weißt doch, im Krieg werden nur die Sieger belohnt!“
„Schon klar!“, sagte Syros. „Aber nur, weil er seine Hand verloren hat, ist er doch kein Verlierer!“
„Nein“, entgegnete Lucius, „aber weil er auf der falschen Seite gekämpft hat. Agrippas Schiffe waren bei Actium mit Enterhaken und Harpunen ausgerüstet. Nicht die Schiffe von Antonius und Kleopatra. Wenn er also einen Haken lösen wollte, dann hat er gegen Augustus gekämpft und nicht für ihn!“
„Ah, das erklärt es natürlich!“, sagte Syros verblüfft. „Was sagst du zu deinem neuen Trainer?“ Lucius schüttelte ratlos den Kopf: „Ich weiß nicht!“ Lucius gefiel der Gedanke gar nicht, die kommenden Wochen und Monate in Gesellschaft dieses abstoßenden und heruntergekommenen Mannes zu verbringen.
Sie aßen mit Sergius und seiner Familie zu Abend. Von Sergius erfuhren sie, dass Saxum auf dem Hof wohnte, sich aber selten nützlich machte. Er langweilte sich anscheinend die meiste Zeit, trank viel und war in der ganzen Gegend wegen seines unbeständigen Temperamentes gefürchtet. Lucius fragte sich, wie sein Vater einen Mann wie ihn als seinen Ausbilder hatte auswählen können.
Er sollte es bald erfahren. Als erfahrener Legionär hatte Saxum seine Qualitäten als Lehrer, auch wenn seine rohe Art mehr als gewöhnungsbedürftig war. Immerhin würden sich die Trainingsstunden bei Pertinax in Arausio auswirken, dessen war sich Lucius ganz sicher. Er hatte durch das Schwerttraining kräftige Oberarme und Schultern bekommen.
Heute stand der erste Geländemarsch an. Saxum hatte ihn ein Bündel packen lassen, mit den gleichen Habseligkeiten, die ein Legionär gewöhnlich mit sich trug: Essbesteck, Kleidung, eiserne Rationen und die sonstigen Dinge des täglichen Bedarfs. Das Bündel, die Sarcina, wurde an einem Stock befestigt und über der Schulter getragen. Lucius maulte, als er es zuerst einmal probeweise trug. Was für eine unbequeme Angelegenheit! Saxum nannte ihn ein Muttersöhnchen und riet ihm, ein Stück Tuch
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