Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
insistierte Hektor hochmütig.
Saxum sah den Freigelassenen einmal von oben bis unten an und sagte dann herausfordernd: „Und du bist derjenige, der mich zwingen will?“
„Dich nicht, aber ihn!“, sagte Hektor und zeigte auf Lucius.
Was blieb Lucius übrig? Er schulterte sein Gepäck und marschierte los. Hektor machte es sich auf einem Maultier bequem. Er war so dick in seinen Mantel eingewickelt, dass von seinem Gesicht nichts zu sehen war. Aus einer kleinen Öffnung sah man seinen Atem, der in der kalten Luft gefror.
Lucius führte Hektor kreuz und quer über das Land und suchte die windigsten, unangenehmsten Stellen auf. Nach zwei Stunden hatte der Freigelassene genug.
„Es reicht, lass uns zurückgehen!“, stöhnte er.
Lucius frohlockte innerlich. Mal sehen, wie lange dieser blasierte Hausangestellte wohl noch durchhielt! Er tat erstaunt: „Aber es ist doch erst Mittag! Wir haben noch ein paar Stunden vor uns.“
„Ein paar Stunden?“, schrie der Freigelassene entsetzt auf. „Bei der Hundekälte? Nein, wir kehren sofort um!“
„Aber ich habe noch ein Pensum zu erfüllen!“, log Lucius ohne mit der Wimper zu zucken. „Wir machen weiter!“
„Nein, nein, nein! Meine Finger frieren an den Zügeln fest, meine Füße sind Eisklumpen. Wir gehen zurück, das ist ein Befehl!“
„Ach so!“, sagte Lucius gedehnt. „Wenn es ein Befehl ist. Dann reite voraus!“
Hektor sah sich suchend um. Die verschneiten Felder sahen für ihn alle gleich aus. Schließlich brüllte er entnervt: „Ich kenne die Gegend nicht, du Idiot! Geh du voraus!“
Idiot also. Lucius grinste in sich hinein, ein wenig bösartig vielleicht, und schlug eine Richtung ein, die vom Hof wegführte. Nach einiger Zeit trafen sie plötzlich auf eine Spur im Schnee, die sich bei näherem Hinsehen ganz zufällig als ihre eigene herausstellte.
„Oh, falsche Richtung!“, sagte Lucius mit Unschuldsmiene und drehte um.
Hektor verlor völlig die Fassung. „Ich will zurück! Mit ist kalt und ich habe Hunger!“, jammerte er. „Beeile dich gefälligst. Bist du zu dumm, um den richtigen Weg zu finden?“
Noch eins auf die Rechnung, dachte sich Lucius und schlug die Richtung zum Hof ein. Jammernd und klagend ritt Hektor hinter ihm her, während Lucius ein Marschlied pfiff und leise vor sich hin summte: „Nie mehr auf dem Hof arbeiten, nie mehr auf dem Hof arbeiten!“ Zwischendurch trank er einen Schluck lauwarmen Posca aus der Feldflasche, der ihn zumindest ein wenig von innen wärmte.
Als sie zwei Stunden später das Hoftor erreicht hatten, Lucius musste mittlerweile das Maultier am Zügel führen, weinte Hektor vor Freude. „Oh, ihr Götter, Dank sei euch, Dank sei euch!“
Lucius fühlte seine Füße kaum noch und ihm war durch und durch kalt. Aber bevor er sich in seinem Zelt aufwärmen konnte, gab es noch eine wichtige Angelegenheit zu regeln. Er ließ die Sarcina auf den Boden fallen und löste den Tragestock. Er musterte das gegabelte Ende. Ja, das war breit genug für seine Zwecke.
„Was machst du da?“, fragte der Reiter harsch und ungeduldig. „Trödel hier nicht länger herum! Ich will ins Warme und du kannst wieder in dein Zelt zurückkehren, wo du hingehörst! Aaaahhhhhrg!“ Mit einem Schrei stürzte Hektor vom Maultier. Lucius hatte ihn am Fuß gepackt und zu Boden befördert. Hektor schrie wie am Spieß. „Was fällt dir ein?“
Er versuchte aufzustehen. Lucius beherrschte seine gärende Wut, und seine Stimme klang ruhig: „Bleib liegen und rühr dich nicht!“
Hektor sah ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Angst an. „Wage es nicht, mich anzufassen, dein Vater …!“
Weiter kam er nicht, Lucius hatte ihm den gegabelten Stock an den Hals gesetzt und ihn zu Boden gedrückt. „ICH BIN LUCIUS JUSTINIUS MARCELLUS!“, brüllte er den Ex-Sklaven an. „WIE KANNST DU ES WAGEN, MICH ZU BELEIDIGEN, DU WURM, DU KRÖTE! WIE KANNST DU ES WAGEN, MICH EINEN IDIOTEN ZU NENNEN! WIE KANNST DU ES WAGEN, MICH DUMM ZU NENNEN!“
Hektor geriet nun vollends in Panik und versuchte, sich zu befreien. Er schrie und bettelte um Gnade. Überall auf dem Hof wurde es lebendig. Das Geschrei und Gekreisch hatte die übrigen Bewohner alarmiert. Hektor wimmerte ängstlich, als er sah, wie Lucius seinen Dolch zog.
„Wenn du mir gegenüber noch einmal unverschämt wirst, schneide ich dir die Eier ab und verkaufe dich als Eunuch an den Partherkönig. Und da kann dir nicht einmal mein Vater helfen!“
Er spuckte aus und wandte
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