Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
einzutreten. Da er aber die Worte selbst kaum hörte, konnte der Klopfer sie erst recht nicht hören. Mühsam stemmte sich Lucius hoch und torkelte zur Tür.
Es war Valens, der ihn mit dem gleichen Widerwillen betrachtete, mit dem man ein giftiges Getier betrachtet. Er ließ seinen Blick voller Ekel über Lucius’ ramponiertes Äußeres gleiten und brüllte mit Stentorstimme: „Beim Jupiter, wie siehst du denn aus? In welchem Schweinekoben hast du dich gewälzt?“
Er stieß Lucius zur Seite und stürmte ins Zimmer.
„Ein Saustall ist das!“, brüllte er weiter, wobei er die Tür zudonnerte. Seine eisgrauen Augen flogen von rechts nach links und nahmen jede Kleinigkeit auf. Zuletzt blieb sein Blick an der Drecklache auf dem Boden haften.
„Vulso wird sich freuen, wenn er gleich zur Zimmerinspektion kommt“, sagte er mit wölfischem Grinsen. „Und erst der Waffenappell, das wird ein Fest werden.“
Lucius fühlte sich, als ob ihm ein Priester mit dem Hammer vor die Stirn geschlagen hätte. „Waffen- und Zimmerappell? Heute Abend noch?“
Valens verzog das Gesicht, als ob er Zahnschmerzen hätte. „Dachtest du, heute wäre Ausgang? Ein bisschen mit Mädchen bummeln und Wein trinken? Natürlich wird er heute noch eine Kontrolle machen.“ Unter höhnischem Gelächter verließ Valens das Zimmer.
Lucius wäre am liebsten aufs Bett gefallen und den Rest der Woche nicht mehr aufgestanden. Aber die Genugtuung wollte er Vulso nicht geben, auch wenn er am Ende seiner Kräfte war. Er machte sich an die Arbeit, obwohl jede Bewegung eine Qual war. Er rieb das Kettenhemd sauber, bis es blinkte, wusch die Tunicen aus und hängte sie über der Feuerstelle zum Trocknen auf. Der Gladius sah so frisch gereinigt aus, als käme er gerade aus der Waffenkammer. Auf dem Boden war keine Dreckspur mehr zu erkennen. Lucius lag auf einem der unteren Betten wie tot. Einfach weiteratmen, sagte er sich. Ich bin so unglaublich müde. Aber heute wollen die Rekruten das Ende der Grundausbildung feiern, und ich darf nicht fehlen. Ich muss es allen zeigen. Ich bin nicht schwach, ich bin kein Weichling. Er zog sich langsam hoch. Schließlich stand er schwankend. Mars, flehte er stumm, nach dir bin ich benannt, du bist der Schutzgott meiner Familie, steh mir bei und gib mir Kraft! Sehnsüchtig sah er auf die Klappe im Boden, unter der seine Vorräte und auch der Weinvorrat lagerten. Wie gerne hätte er ein paar Schlucke getrunken, aber das würde ihm auch den Rest seiner Kraft rauben. Langsam, leicht wankend und mit staksenden Schritten ging er zur Tür und trat in den Vorraum. Er hielt sich am Regal fest und schwankte dann zum Fenster.
Draußen herrschte reges Treiben. Die Rekruten hatten unter den Vordächern ihre Tische aufgebaut. Dort saßen sie in angeregte Unterhaltung vertieft und ließen sich das Essen schmecken. Unter einem Zeltdach war eine Küche aufgebaut, in der ein Schaf und eine Ziege gegrillt wurden. Hier wurde auch das Gemüse zubereitet. Als Lucius die Tür seiner Unterkunft öffnete und mit dem Essgeschirr in der Hand unter das Vordach trat, verstummten nach und nach die Gespräche, und alle Augen wandten sich ihm zu. Er ließ seinen Blick über die Runde schweifen und ging mit unsicheren Schritten langsam zum Grill hinüber. Über hundert Augenpaare folgten ihm, als er an den Grill trat und sich einige Fleischstücke abschnitt. Es war es so still geworden, dass man eine Nadel hätte fallen hören. Offensichtlich wusste jeder, was er heute hatte durchmachen müssen, und keiner hatte erwartet, ihn hier zu sehen. Vermutlich hatten sie schon Wetten abgeschlossen, ob er aufgeben würde oder ob man ihn rauswerfen würde wie Mellonius!
Wie gut, dass man Schmerzen nicht sehen kann, dachte Lucius und schaufelte sich Gemüse und Puls in seine Schüssel. Alle Glieder schmerzten und er konnte sich nur mit Mühe aufrecht halten. Er füllte sich demonstrativ einen Becher mit Wein und trank einen Schluck. Dabei ließ er verstohlen seinen Blick wandern. Vulso war dunkelrot angelaufen und erstickte fast an seiner Wut, Vitellius sah ihn hasserfüllt an. Antinius kaute wütend auf seiner Lippe. Die Rekruten jedoch starrten ihn mit Bewunderung und Respekt an, was die Ausbilder offenbar innerlich zum Toben brachte.
Er ging zu seiner Unterkunft zurück und ließ sich an seinem Tisch nieder, wo er allein anfing, zu essen. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als ein Rekrut vom Nebentisch, an dem auch Servanus saß, ihm einen Teller
Weitere Kostenlose Bücher