Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
herüberreichte, auf dem Eier lagen. Lucius zögerte einen Moment, dann griff er nach den Eiern. Ehe er zubeißen konnte, sprang Vulso auf und stürmte auf ihn zu.
„Bevor du nicht deine Waffen und dein Zimmer gereinigt hast, gibt es auch nichts zu essen!“, sagte er schneidend.
Lucius biss in aller Seelenruhe in sein Ei. „Deswegen speise ich ja“, mampfte er mit vollem Mund.
„Gut, dann machen wir jetzt sofort eine Inspektion!“, befahl Vulso und stieß die Tür auf. „Meinetwegen!“, sagte Lucius mit einem Gleichmut, der Vulso fast um den Verstand brachte. Vulso stürmte in das Zimmer und man hörte ihn drinnen rumoren. Die Rekruten, die die Szene gespannt beobachtet hatten, begannen aufgeregt zu tuscheln.
„Marcellus!“, brüllte Vulso von drinnen. Lucius erhob sich und trat in den Vorraum. Vulso stand im Schlafraum. „Licht!“, brüllte er. „Mehr Licht!“
Lucius zündete in aller Ruhe eine Laterne an. In ihrem Schein sah sich Vulso suchend um. Nichts, kein Dreck, kein Schlamm, gar nichts deutete auf die Tortur des Nachmittags hin.
„Wo sind deine Waffen?“, herrschte ihn Vulso an.
Lucius präsentierte sein Kettenhemd, seinen Gladius und die übrige Ausrüstung. Alles glänzte wie frisch aus der Schmiede. Vulso sah fassungslos auf die blinkenden Waffen. Er starrte Lucius ins Gesicht, als würden darin Antworten stehen, doch Lucius hielt seinem Blick mit gleichmütiger Miene stand. Wortlos drehte Vulso sich um und stürmte aus dem Zimmer.
Lucius kehrte an seinen Tisch zurück und nahm sein Essen wieder auf. Er zuckte zusammen, als sich plötzlich Servanus und zwei weitere Rekruten an seinen Tisch setzten. Servanus grinste anerkennend. Sie hoben stumm ihre Becher und prosteten ihm zu.
CENTURIO • MARCELLUS
LUGDUNUM, • IM • HAUSE • DES • AUGUSTUS
Tiberius Nero ließ seine Begleitung im Atrium zurück und ging in sein Arbeitszimmer. Dort suchte er in den Regalen nach einer bestimmten Schriftrolle. Er hörte hinter sich ein Geräusch, drehte sich um und ein warmes Gefühl durchflutete ihn, als er seine Frau Vipsania sah.
„Hallo, Liebes!“ Er stand auf. Sie trat näher und er gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Ich habe leider nicht viel Zeit, da ich zu Augustus in die Stadt muss. Wie benimmt sich unser Sohn?“, fragte er lächelnd mit einem Blick auf ihren gerundeten Bauch.
Sie lächelte zurück. „Ganz manierlich. Wir wollten dich aber nicht bei der Arbeit stören. Gaius Asinius war hier und hat dich gesucht. Dringend und dienstlich, mehr hat er nicht gesagt. Er tut wie immer schrecklich wichtig und schrecklich geheim“, sagte sie.
„Nun, du kannst von einem Militärtribun nicht erwarten, dass er Kriegsgeheimnisse mit Frauen teilt!“, antwortete Tiberius lächelnd.
Sie verdrehte die Augen: „Männer! Immer diese fadenscheinige Geheimniskrämerei! Ganz Lugdunum weiß, dass ein Feldzug gegen die Vindelicer bevorsteht.“
Er lachte und senkte dann die Stimme. „Wenn du schwörst, nicht sofort zu den Galliern überzulaufen, werde ich dich einen Blick in meine streng geheimen Dokumente werfen lassen!“, flüsterte er geheimnisvoll und hielt ihr die Wachstafel vors Gesicht.
„Hm, da muss ich mal überlegen. Mein Vater war genauso schlimm, immer wichtige Staatsgeschäfte und nur wenig Zeit für mich!“, sagte sie mit ergebener Miene. „Mit zehn war ich in Iullus Antonius verliebt und habe furchtbar geweint, als er mit Octavia verlobt wurde!“, erzählte Vipsania. „Aber Vater hat gesagt, er findet einen viel besseren Mann für mich.“
„Und hat er Wort gehalten?“, fragte Tiberius.
Vipsania schüttelte mit gespielter Traurigkeit den Kopf. „Leider nicht. Er hat mich mit einem Mann verheiratet, der entweder über Akten brütet oder Soldat spielt. Furchtbar. Nie ist er da!“
Tiberius nahm Vipsania in den Arm. „Was für ein Narr! Aber sein Pech, wenn er dich vernachlässigt, ich werde mich heute Nacht heimlich in dein Schlafzimmer schleichen.“
Sie küssten sich zärtlich. Dann löste sich Vipsania aus seinen Armen und gab ihm einen Klaps auf die Schulter. „So, und jetzt überlasse ich dich deinen geheimen Kriegsvorbereitungen.“
Während seines Vortrages beobachtete Tiberius den schmächtigen Mann, der in seinen Mantel gewickelt auf einem Stuhl hockte und ihm zuhörte. Kaum zu glauben, dass diese unscheinbare Gestalt mit den schlechten Zähnen der mächtigste Mann des Imperiums war. Wer ihn so sah, in seiner schlichten Kleidung, immer kränklich,
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