Cevdet und seine Soehne
Reisevorbereitungen getroffen, Truhen
geleert und andere gefüllt und Teller und Tassen in Zeitungspapier gewickelt hatte,
war Nermin Osman um einen neuen Kühlschrank angegangen, da es sich doch nicht
mehr schicke, jedes Jahr diesen einen von hier nach dort und dann wieder zurück
zu schaffen. Osman hatte zu bedenken gegeben, dass sie auf der Insel doch nur
drei Monate im Jahr verbrachten und ohnehin um acht Uhr abends der Strom
gesperrt wurde, so dass das eigentlich Unschickliche doch viel eher darin
bestand, dass seine Frau trotz der stockenden Geschäfte und des dringenden
Finanzbedarfs der Firma nicht vor derart überflüssigen Ausgaben zurückscheue.
Nermin reite wohl nur deshalb auf diesem längst ausdiskutierten Thema herum,
weil sie offensichtlich nicht wisse, wie Geld überhaupt verdient werde.
Daraufhin nun hatte Nermin die Worte geäußert, die Nigân Sorgen machten und Osman
hatten rot anlaufen lassen: Wenn ihr Mann schon mehr Geld in die Firma stecken
wolle, dann solle er dafür doch bitte schön nicht das Familienbudget
einschränken, sondern lieber gewisse höchst unziemliche persönliche Ausgaben.
Dann hatte Nermin erst ihre Schwiegermutter und dann Osman angesehen, als würde
sie nun gleich damit herausrücken, was mit diesen persönlichen Ausgaben gemeint
war, aber sie schwieg, und auch sonst sagte keiner etwas. Vielleicht hätte
Nigân der Sache keine weitere Bedeutung beigemessen, hätte nicht am gleichen
Abend bei den beiden noch lange das Licht gebrannt und Nermin, ohne sich um die
Lautstärke zu scheren, ihren Mann mehrfach wütend angeschrien. Wie Nigân die
beiden so einträchtig nebeneinandersitzen sah, kam sie zu dem Schluss, Osman
müsse mit einer anderen Frau ein Verhältnis gehabt, dieses aber nun beendet
haben; doch näher wollte sie darüber vorerst nicht nachdenken. Sie scheute sich
davor, ihren Sohn mit Cevdet zu vergleichen, und als fürchtete auch Osman
diesen Vergleich, schlug er eine Zeitung auf und versteckte sich dahinter.
Sie näherten sich Burgazada, und der
Mann mit dem Panamahut stand auf. Es gab zwischen den Inseln bestimmt nicht
jenen klaren Unterschied, den Cevdet scherzhaft angedeutet hatte, doch sah der
Mann sehr nach einem Griechen aus. Nigân musste an ihre griechische Schneiderin
in Beyoğlu denken, eine redselige, lachlustige Frau, der einmal
herausgerutscht war, dass sie nur deshalb immer den Sommer auf Burgazada
verbrächten, um für ihre unansehnliche Tochter einen Ehemann zu finden. Da fiel
Nigân ein, was für eine Mühe es sie gekostet hatte, Ayşe in die Schweiz zu
schaffen. »Das gedankenlose Ding! Mit einem Geigenspieler!« Wo
es doch immer hieß, eine Tochter, auf die man nicht aufpasse, lasse sich sofort
mit einem Musiker ein … Schon wieder diese unguten Gedanken! Aber nun war das
Mädchen ja in der Schweiz, und dort hielt sich auch Leylâs Sohn Remzi auf, ein
guterzogener, braver Junge. Ein bisschen dick vielleicht und auch nicht der
Allerhellste, aber immer noch besser als ein geigenspielender Lehrerssohn.
Auf der Höhe von Kaşıkadası begann
der Dampfer etwas zu schaukeln. Nigân haspelte eines der Gebete herunter, die
sie von ihrer Mutter gelernt hatte, und merkte wieder einmal, wie sehr sie sich
von Tag zu Tag der Religion annäherte, wenn auch nicht mehr auf die verquere
Art wie kurz nach Cevdets Tod. Wie all ihre Altersgenossen, die im übrigen kein
Gespräch mehr führen konnten, ohne über ihre Zipperlein zu klagen, spöttelte
auch sie nicht mehr über das Thema Religion und sagte auch nichts, wenn Emine
und Nuri im Ramadan fasteten. Dabei war sie kerngesund, hatte keinerlei
ernstzunehmende Beschwerden. Sie war auch überzeugt, noch lange zu leben, und
dies selbst dann, wenn sie in wütenden Momenten für alle vernehmbar sagte: »Ach
Cevdet, warte nur, bald komme ich zu dir, am liebsten wäre mir sofort!« Ins
Bigotte würde ihre Neigung zum Islam nie ausarten, dessen war sie sich gewiss,
und so hatte sie auch nichts gegen die Priesterschule, die nun auf dem Hügel von
Heybeliada hinter Pinien zu sehen war. Die schicken Priester mit schwarzem Bart
und riesigem Hut, die man auf der Insel oft sah, lösten bei den Enkeln Furcht,
bei Koch und Dienstmädchen hingegen Abscheu aus, während Nigân bei ihrem
Anblick eher fröhlich wurde, als hätte sie eine lustige Geschichte gehört, und
irgendwie weckten diese Männer auch eine Sehnsucht nach Europa in ihr.
Stampfend fuhr das Schiff an die
Insel heran. Bald würde zwischen Bäumen das Dach
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