Cevdet und seine Soehne
haben
gegessen. Köfte mit Bohnen!«
Unruhig stand Ahmet auf. »Warum
liest du mir das noch vor? Soll das lustig sein? Allen Ernstes hat der Mann
solches Zeug geschrieben und hat sich dann noch nicht mal dafür geschämt,
sondern alles aufgehoben. Köfte mit Bohnen! Du meinst wahrscheinlich, das hört
sich an wie diese modernen Erzählungen heute! Ich gebe es am besten Hasan, dann
bringt er das in seiner Kunstzeitschrift raus! Hast du zum Beispiel Verbrannte
Konaks gelesen? Köfte mit Bohnen … Was soll das? Hör auf mit dem
Vorlesen, das macht mich ganz nervös.«
»Was hattest du denn erwartet?«
»Ich will doch dieses Porträt von
meinem Großvater malen, und da habe ich mir eben gedacht, wenn du mir aus dem
Tagebuch vorliest, dann tauch ich langsam in diese Atmosphäre ein. Ich habe
mich aber getäuscht. Wenn ich mich damit beschäftige, begehe ich wieder genau
den Fehler, von dem du vorhin schon gesprochen hast; du weißt schon, die Falten
des Taschentuchs. Ja, du hast recht, ich bin darauf versessen, auf Details
einzugehen, mein Talent zu zeigen. Das sind schlechte Neigungen! Und von dem,
was du da vorliest, werden die bloß noch genährt. Wenn ich ein Porträt meines
Großvaters malen will, darf ich nicht von so etwas ausgehen, sondern muss
phantasieren und erfinden! Dann wird es nur um so echter! Diese dämlichen
Details führen nur in die Irre! Um das Ganze geht es doch! Ich muss etwas
Ganzes schaffen, und deshalb muss ich erfinden! Verstehst du, was ich meine?
Deshalb bin ich so enttäuscht. Ich hatte gedacht, mit diesem Tagebuch würde ich
das konkrete Leben zu fassen kriegen. Dabei muss ich zum x-tenmal voller Reue
und Ernüchterung feststellen, dass ich einen ganz anderen Weg gehen muss, um das
Leben zu packen. Und zwar muss ich phantasieren und spintisieren und durch
Arbeit und noch einmal Arbeit meine Kunst schaffen!«
»Dann meinst du also, du kannst die
tiefste Wahrheit erreichen, ohne dein Zimmer zu verlassen?«
»Ja! Habe ich nicht wenigstens damit
recht?«
»Und alles, was da draußen ist, das
ganze verworren dahinfließende Leben, die Geschichte, die ganze Welt, das ist
alles nur für deine Bilder da?«
»Ich sehe es so. Und wenn ich daran
nicht glauben würde, dann würde ich erst gar nicht malen!«
Etwas verschämt, aber doch
entschlossen sagte İlknur: »Das ist aber eine sehr egozentrische Theorie!
Ich kann mich nur wundern! Früher hast du nicht so geredet!«
»Ich weiß! Und ich weiß auch, wie
schlecht sie ist! Aber ich möchte dich bitten, mich heute abend mal nicht nach
dem zu beurteilen, was du so aus Büchern weißt. Hör auf das, was aus deinem
Inneren kommt. Jetzt wirst du sagen, dass beides zusammengehört, aber versuche
es heute einmal zu trennen! Was in den Büchern dazu steht, habe ich selber
gelesen und finde es ja auch richtig. Und ich weiß sogar, dass das, was ich
hier sage, eigentlich falsch ist!«
»Na schön!« sagte İlknur und
sah Ahmet dabei sorgenvoll an. Dann fragte sie beinahe kindlich: »Ich soll also
nicht weiter vorlesen? Gut. Was machen wir dann? Ich erzähl dir also, was sich
im Leben deines Vaters getan hat. Nach allem, was da drinsteht, hat er es in
dem Haus, das früher hier stand, eines Tages nicht mehr ausgehalten und ist
nach Kemah gegangen, wie du ja weißt. Dort war ein gewisser Ömer, ein Freund
von ihm. Wer ist das?«
»Du bist aber neugierig! Dieser Ömer
oder Onkel Ömer, wie ich früher immer sagte, ist ein ehemaliger Kommilitone
meines Vaters, ein gutaussehender, aber ziemlich aus dem Leim gegangener Mann.
Ich denke, er lebt noch. Er kam oft in unsere Wohnung in Cihangir, und jedesmal
war er noch dicker und breiter. Ich glaube, er besitzt Grund und Boden in
Kemah. Was lässt sich noch über ihn sagen? Ach ja, an der Stirn hatte er zwei
Male, wie Messerwunden, die mir früher angst gemacht haben. Von dem Erdbeben in
Erzincan her, glaube ich.«
»War er verheiratet? Und was war er
von Beruf?«
»Ja, er war verheiratet, seine Frau
ist auch immer mit zu uns gekommen. Ein eher dümmliches Weib. Ich
glaube, die beiden waren stinkreich, denn meine Mutter hat immer von der
Perlenkette der Frau geredet und von ihrem besonderen Ring.«
»Deine Mutter ist eben
kleinbürgerlich.«
»Sie ist eine Arzttochter. Hörst du
mir eigentlich zu?«
»Ich verstehe nicht«, sagte
İlknur versonnen.
»Was verstehst du nicht?«
»Na, wie die so gelebt haben! Dieser
Ömer hat sich anscheinend in Kemah in so ein komisches altes Haus zurückgezogen
und mit
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