Cevdet und seine Soehne
des
Hauses an: Sie war efeubewachsen und wurde sanft von der Sonne beschienen. Er
setzte sich unter den Baum; auf dem zweiten Stuhl nahm der Gärtner Platz.
Cevdet holte sein Zigarettenpäckchen heraus und hielt es dem Gärtner hin.
»Ein gepflegter Garten«, sagte er
beiläufig.
»Ich hänge sehr daran!« erwiderte
der Gärtner verschämt.
Cevdet zündete sich seine Zigarette
an. Sie blickten zur Sonne hin, die hinter Harbiye allmählich unterging. Der
Junge tollte im Garten herum.
»Sie kaufen doch das Haus, oder?«
»Wenn wir uns auf den Preis
einigen!«
»Das werden Sie schon, die gnädige
Frau möchte so bald wie möglich verkaufen.«
»Gut so! Sie raten mir also zu?«
»Und ob, es ist wirklich schön
hier!«
Sie lächelten sich an. Cevdet
empfand eine plötzliche Sympathie für den Gärtner und dachte: »Dann kaufe ich es
eben!« Er fühlte sich wieder so stark, als trüge er einen unsichtbaren Panzer.
»Herrlich, dieser kühle Wind!« Die untergehende Sonne löste nicht Wehmut,
sondern brüderliche Gefühle aus.
»Ja, es ist schön in diesem
Nişantaşı!« sagte Cevdet.
»Das will ich meinen!« Der Gärtner
war nun ganz aufgekratzt. »Ich bin hier geboren, und ich werde auch hier
sterben. Hier waren mal viele Gemüsegärten, und mein Vater musste die bewachen.
Und früher, so vor hundert Jahren, da gab es hier ausschließlich Gemüse, Erdbeerfelder
und Feigenplantagen. Die Sultane ließen auf den Hügeln da gegenüber
Schießwettbewerbe veranstalten, und zur Erinnerung daran wurden dann
Gedenksteine aufgestellt, von denen hat das Viertel auch seinen Namen her.
Unter Sultan Mecid gab es hier mal ein großes Beschneidungsfest, da war ich
gerade auf der Welt. Mein Vater war dann Gemüsegärtner. Dann haben sie da unten
an der Ecke den Doppelpalast gebaut. Und später die Moschee, das weiß ich noch.
Und dann haben sie anstelle der Gemüsegärten einen Konak nach dem anderen
gebaut. Es sind nur wenige Gemüsegärten übriggeblieben, da habe ich gearbeitet.
Dann wollten die Leute in den Konaks alle Ziergärten haben. Ich kümmere mich
also um den ersten Garten, da kommt Besuch vorbei, dem gefällt der Garten, und sie
fragen, wer das so hinkriegt, und dann soll ich bei denen auch arbeiten, und
jetzt ist es so, dass ich kaum noch nachkomme mit der Arbeit. Inzwischen habe
ich auch Kollegen hier, und zusammen machen wir –«
Cevdet achtete nicht mehr auf den
Gärtner, sondern auf die Ameisen, die vor ihm herumkrochen. Genau zwischen
seinen Füßen verlief eine Ameisenstraße, die danach einen Bogen vollführte und
in einem Loch in der Kastanie endete. Von diesem Loch gingen in andere
Richtungen weitere Ameisenstraßen aus. Direkt vor Cevdet mühten sich zwei
Ameisen mit einer Kürbiskernschale ab. Cevdet blickte auf und sah, dass der
zwischen den Bäumen umherspazierende Sohn des Gärtners Kürbiskerne kaute.
»Aus dem mache ich auch einen
Gärtner! In der Schule ist er nicht besonders gut, aber für Bäume und Gärten
hat er was übrig, dann soll er eben das machen.«
»Wie heißt er denn?«
»Aziz.«
Cevdet sah wieder zu den Ameisen
hinab. Einer Gewohnheit aus Kindertagen folgend, nahm er sich vor, einer
einzelnen Ameise bis zum Ameisenhaufen hin nachzusehen.
»Dieses Interesse für Gärten hat
also immer weiter zugenommen. Es sind reiche Leute hergezogen, die Holzkonaks
wurden immer größer gebaut, und dann kamen riesige Pferdeställe dazu, mit Platz
für zwei, drei Kutschen. Dann wurden Köche eingestellt, Kutscher, Dienstboten
aller Art. Nach den Paşas und Beys sind dann Juden und Armenier gekommen,
Kaufleute meist. Die haben sich Beton- und Steinhäuser bauen lassen. Da wurden
Bäume gefällt und Pflanzen herausgerissen, damit man Straßen bauen konnte, und
mit den Gemüsegärten war es ganz vorbei. Und dann hat unser Sultan anstelle der
Holzmoschee eine aus Stein bauen lassen. Das war vor sechs Jahren. Und jetzt
haben sie ein Attentat auf ihn verübt. Bis hierher hat man die Bombe gehört.«
Zwei Ameisen hielten neben Cevdets
Füßen inne und berieten sich. Eine dritte kam hinzu und mischte sich ein. Sie
sagte schnell etwas, streichelte dann denn beiden Freunden über die Beine und
lief zum Ameisenhaufen zurück. Cevdet stellte sich vor, dass es vor
Sonnenuntergang im ganzen Garten immer nur so wimmelte vor laufenden, redenden
und Lasten tragenden Ameisen. Dann dachte er wieder an die Straße in
Beyoğlu, an den Laden, an seinen Bruder. Er sah zum Himmel hinauf und sah
eine Wolke nach
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