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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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sie Königin Ista ähnlich, wie Cazaril sie zum ersten Mal in der Ahnenhalle der Herzogin gesehen hatte, und er konnte den Anblick nicht ertragen und floh aus dem Gemach. Stundenlang wanderte er durch den Zangre und versuchte nachzudenken, aber seine Gedanken brachten immer nur neue Schrecken zu Tage.
    Spät am Abend rief Lady Betriz ihn hinauf in sein als Schreibstube genutztes Vorzimmer, das immer mehr zum Schauplatz eines Albtraums wurde.
    »Ich weiß jetzt, was zu tun ist!«, teilte sie ihm mit. »Cazaril, bringt mir bei, wie man einen Menschen mit einem Messer tötet.«
    » Was?«
    »Dondos Wache weiß nur zu genau, dass sie Euch nicht in seine Nähe lassen darf. Aber ich werde am Morgen ihrer Hochzeit unmittelbar an Iselles Seite stehen, ihr Trauzeuge sein und für sie antworten. Niemand würde es von mir erwarten. Ich werde das Messer in meinem Mieder verbergen. Wenn Dondo in meine Nähe kommt und sich herabbeugt, um der Prinzessin die Hand zu küssen, kann ich zwei, dreimal auf ihn einstechen, bevor jemand mich aufhalten kann. Aber ich weiß nicht, wie oder wo ich zuste chen muss, um sicherzugehen. Am Hals, gewiss, a ber an welcher Stelle?« Ernsthaft zog sie einen schweren Dolch unter ihren Röcken hervor und streckte ihm die Waffe entgegen. »Zeigt es mir! Wir können üben, bis ich es glatt und sauber hinbekomme.«
    »Bei den Göttern, nein! Lady Betriz, schlagt Euch diesen verrückten Plan aus dem Kopf! Sie würden Euch aufhängen!«
    »Wenn ich Dondo vorher töten kann, steige ich gern aufs Schafott! Ich habe geschworen, Iselle mit meinem Leben zu verteidigen. Also …« Die braunen Augen glühten in ihrem bleichen Antlitz.
    »Nein«, sagte er entschieden. Er nahm die Klinge entgegen und gab sie ihr nicht zurück. Woher hatte sie die Waffe eigentlich? »Das ist keine Aufgabe für eine Frau.«
    »Es ist die Aufgabe für jeden, der die Gelegenheit hat! Ich habe die beste Gelegenheit. Zeigt mir, wie ich es tun muss!«
    »Nein, wartet! Ich werde etwas versuchen … ich werde sehen, was ich tun kann.«
    »Könnt Ihr Dondo töten? Iselle ist da drinnen und betet zur Herrin, dass entweder sie oder Dondo vor der Hochzeit sterben mögen. Es ist ihr inzwischen egal, wen es trifft. Mir aber nicht! Ich finde, es sollte Dondo sein.«
    Wenn die Götter nicht auf Eure Gebete antworten, Lady Iselle, werde ich es versuchen.
     
    Am nächsten Tag, dem letzten vor der Hochzeit, verbrachte er Stunden damit, Lord Dondo auf dessen Wegen durch den Zangre zu belauern wie eine Jagdbeute in einem Wald aus Stein. Aber er kam niemals nahe genug für einen Angriff. Spät am Nachmittag kehrte Dondo ins große Stadtpalais der Jironals zurück, und dessen Mauern oder Tore konnte Cazaril nicht überwinden. Als Dondos Handlanger ihn zum zweiten Mal hinauswarfen, hielt der eine ihn fest, während ein anderer ihm auf die Brust, in den Bauch und in den Unterleib schlug, so oft, dass er nur noch zum Zangre zurückwanken konnte und sich unterwegs immer wieder mit einer Hand an den Mauern abstützen musste wie ein Betrunkener. Die königlichen Wachen, die er während einer Verfolgungsjagd durch die Gassen von Cardegoss abgehängt hatte, kamen gerade rechtzeitig, um sowohl die Schläge wie auch sein langsames Dahinkriechen beobachten zu können. Sie hielten sich aus beidem heraus.
    In einer plötzlichen Eingebung gedachte er des geheimen Zugangs, der zwischen dem Zangre und dem ansehnlichen Palais der dy Jironals verlief, noch aus der Zeit, da das Gebäude das Eigentum von Lord dy Lutez gewesen war. Man erzählte sich, Ias und dy Lutez hätten den Zugang täglich genutzt, um sich zu besprechen, oder in jeder Nacht, um sich zu Stelldicheins einzufinden – je nachdem, wer diese Geschichte erzählte. Cazaril musste feststellen, dass dieser Tunnel inzwischen ebenso geheim war wie die Hauptstraße von Cardegoss; an beiden Enden war er mit Wachen und fest verschlossenen Türen versehen. Der Versuch einer Bestechung brachte ihm Knüffe, Flüche und das Versprechen einer weiteren Tracht Prügel ein.
    Was bin ich für ein wackerer Meuchelmörder! dachte er bitter, als er bei Einbruch der Dämmerung in seine Schlafkammer zurücktaumelte und ächzend aufs Bett fiel. Mit hämmerndem Schädel und schmerzendem Leib blieb er eine Weile reglos liegen. Schließlich richtete er sich weit genug auf, um eine Kerze zu entzünden. Eigentlich hätte er nach oben gehen und nach seinen Damen sehen müssen, doch er bezweifelte, das Schluchzen ertragen zu können oder

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