Chalions Fluch
aus Wohlstand macht und der …«
»Das stimmt nicht. Ich habe nur einen schlechten Geschmack, was Kleidung angeht. Ich schätze Wohlstand außerordentlich.«
„… und der das absolute Vertrauen der Prinzessin genießt. Und spiel du mir nicht den gierigen Höfling vor – ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie du drei großzügige Bestechungsversuche der Roknari für den Verrat Gotorgets zurückgewiesen hast – den letzten, als du beinahe am Verhungern warst. Dafür kann ich Zeugen heranschaffen. Man wird im Rat auf dich hören, Caz!«
Cazaril seufzte. »Ich denke darüber nach. Im Moment aber habe ich drängendere Verpflichtungen. In einer vertraulichen Sitzung würde ich nur dann aussagen, wenn du der Ansicht bist, dass meine Aussage wirklich von Gewicht ist. Die inneren Angelegenheiten der Kirche gehen mich nichts an.« Ein stechender Schmerz in den Eingeweiden ließ ihn diese Wortwahl bedauern. Ich fürchte, ich werde in eben diesem Augenblick von den inneren Angelegenheiten der Göttin selbst heimgesucht.
Palli nickte glücklich; er schien Cazarils Worte als Zustimmung zu werten. Er stand auf, dankte Cazaril und verabschiedete sich.
16
Z
wei Nachmittage später, Cazaril saß gerade nichts ahnend an seinem Schreibpult und brachte sein Schreibwerkzeug in Ordnung, betrat ein Page des Zangres das Vorzimmer und verkündete: »Der Bruder Rojeras ist eingetroffen, Herr, entsprechend der Anweisung von Prinzessin Iselle.«
Rojeras war um die vierzig, hatte sandfarbenes Haar und eine hohe Stirn, Sommersprossen und stechende blaue Augen. Die Beschäftigung des Mannes war leicht auszumachen, denn die grünen Roben eines Laienbruders vom Siechenhaus der Mutter flatterten bei seinen forschen Schritten. Sein Rang zeigte sich an der Tresse, die auf der Schulter angenäht war.
Cazaril erkannte sofort, dass keine seiner Damen das Opfer sein konnte, sonst hätte die Kirche der Mutter eine Ärztin geschickt. Er wurde starr vor Besorgnis, nickte aber höflich. Dann stand er auf und wandte dem Arzt den Rücken zu, um die Nachricht in die hinteren Gemächer weiterzuleiten. Doch Lady Betriz und die Prinzessin standen bereits an der Tür und lächelten dem fremden Mann ohne Anzeichen von Überraschung freundlich zu.
Betriz erwiderte die tiefe Verbeugung des Bruders mit einem angedeuteten Knicks und sagte: »Das ist der Mann, von dem ich Euch erzählt habe, Hoheit. Der Tempelvorsteher der Mutter teilte mir mit, Bruder Rojeras habe sich insbesondere mit auszehrenden Krankheiten beschäftigt, und Schüler aus ganz Chalion würden anreisen, um von ihm unterrichtet zu werden.«
Lady Betriz war gestern also nicht nur im Tempel gewesen, um zu beten und mildtätige Gaben zu überbringen. Was Hofintrigen betraf, hatte Iselle weniger zu lernen, als Cazaril angenommen hatte. Zumindest ihn hatte sie damit ausmanövriert. Das war ein Überfall aus dem Hinterhalt – von seinen eigenen Damen! Er lächelte verhalten und verbarg seine Furcht. Der Heilkundige zeigte keine der leuchtenden Anzeichen für den zweiten Blick. Was konnte er schon an Cazarils bloßem Körper entdecken?
Iselle musterte den Arzt und nickte dann zustimmend. »Bruder Rojeras, bitte untersucht meinen Schreiber und berichtet mir von den Ergebnissen.«
»Ich brauche keinen Arzt, Hoheit!« Ganz sicher keinen, der mich genauer untersucht.
»Dann werden wir halt wenig Zeit verschwenden«, erwiderte die Prinzessin. »Davon geben die Götter uns jeden Tag aufs Neue. Und nun befehle ich Euch, ihn zu begleiten, Cazaril, wenn Ihr nicht mein Missfallen erregen wollt!« Die Entschlossenheit in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
Dieser verfluchte Palli, der ihr das nicht nur in den Kopf gesetzt, sondern ihr auch noch beigebracht hatte, wie sie seine Fluchtmöglichkeiten beschnitt. Iselle war eine kluge Schülerin! Wie auch immer – entweder würde der Arzt ein Wunder feststellen, oder eben nicht. Und wenn er das tat, konnte Cazaril U megat rufen lassen, und der Heilige mit seinen zweifellos hohen Verbindungen zum Tempel würde sich der Sache annehmen. Und wenn der Arzt von dem Wunder nichts bemerkte, konnte er auch keinen Schaden anrichten.
Cazaril verneigte sich gehorsam, wenn auch ein wenig beleidigt; dann geleitete er den unwillkommenen Besucher die Treppe hinunter in sein Schlafgemach. Lady Betriz kam hinterher, um dafür zu sorgen, dass die Anweisungen ihrer königlichen Herrin ausgeführt wurden. Sie schenkte ihm ein rasches, entschuldigendes
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