Chalions Fluch
opfern?«
»Nein.« Wieder verzogen ihre Lippen sich zu einem seltsam ironischen Lächeln. »Ihr versteht das Problem.«
»Ich begreife aber nicht, wie man es lösen soll. Ist da irgendein Kniff bei dieser … Prophezeiung?«
Kurz öffnete sie die Hände wie in einer Geste der Unentschlossenheit; dann begann sie erneut, ihr Taschentuch zusammenzufalten. »Ich habe Ias davon erzählt. Er erzählte es dy Lutez. Ias hat alles mit dy Lutez geteilt – ausgenommen mich.«
In Cazaril stieg Neugierde auf. Wo sie nun schon so etwas wie Kameraden waren in diesem Heiligengewerbe, schien es mit einem Mal leicht zu sein, mit Ista zu sprechen. Diese Leichtigkeit war zerbrechlich, und wenn er nur blinzelte, wäre sie unwiderruflich verloren, und doch – Heilige zu Heiligem und Seele zu Seele –, lag in diesem flüchtigen Augenblick eine Vertrautheit, die außergewöhnlicher und erhebender war als die zwischen Liebenden. Allmählich verstand er, weshalb Umegat sich mit einem solchen Hunger auf ihn gestürzt hatte. »Was hatten sie denn für eine Beziehung?«
Ista zuckte die Achseln. »Sie waren Liebhaber seit der Zeit vor meiner Geburt. Wer war ich denn, dass ich sie hätte verurteilen können? Dy Lutez liebte Ias. Ich liebte Ias. Ias liebte uns beide. Er gab sich große Mühe und machte sich schreckliche Sorgen, als er versuchte, die Last all seiner toten Brüder zu tragen, und auch die seines Vaters Fonsa. Er hat sich beinahe zu Tode geplagt mit seinen Sorgen, und doch ging alles schief.«
Sie zögerte, und Cazaril befürchtete für einen Moment, unabsichtlich etwas getan zu haben, das diesen Fluss an Vertraulichkeiten zum Stillstand gebracht hatte. Aber anscheinend ordnete sie nur ihre … nein, nicht ihre Gedanken, sondern ihre Gefühle, denn schließlich fuhr sie noch bedächtiger fort: »Ich weiß nicht mehr, wer zuerst auf diese Idee kam. Wir saßen bei Nacht zur Beratung zusammen, wir drei, nachdem Teidez zur Welt gekommen war. Ich hatte immer noch den Blick. Wir wussten, dass dieses dunkle Ding auch unsere beiden Kinder erfasst hatte, ebenso wie den armen Orico. ›Rette meine Kinder‹, schluchzte Ias, drückte die Stirn auf die Tischplatte und weinte. ›Rette meine Kinder!‹ Und Lord dy Lutez sagte: ›Um unserer Liebe willen werde ich es versuchen. Ich werde dieses Opfer wagen!‹«
Cazaril wagte kaum zu flüstern: »Aber wie, bei den fünf Göttern?«
Ista bewegte ruckartig den Kopf. »Wir haben Hunderte von Möglichkeiten diskutiert. Wie kann man einen Mann töten und ihn doch wieder zurückbringen, damit er ein weiteres Mal sterben kann? Unmöglich – aber nicht ganz. Wir einigten uns schließlich darauf, dass Ertrinken das Beste wäre. Es würde den geringsten körperlichen Schaden hervorrufen, und es gab viele Berichte über Leute, die nach dem Ertrinken wieder zurückgeholt wurden. Dy Lutez ritt aus, um einige dieser Fälle zu untersuchen und herauszufinden, wo der Trick dabei war.«
Cazaril stieß den Atem aus. Ertrinken – bei den Göttern. Und das so kaltblütig, wie man es sich nur vorstellen konnte … jetzt zitterten seine Hände ebenfalls.
Ista sprach weiter, ruhig und unermüdlich.
»Wir ließen einen Arzt schwören, dass er Stillschweigen wahrte, und stiegen dann in die Kerker des Zangres hinab. Dy Lutez ließ sich ausziehen und fesseln, die Arme und Beine fest am Körper. Dann wurde er an den Füßen über das Wasserbecken gehangen. Wir ließen ihn mit dem Kopf zuerst hinunter … und zogen ihn erst wieder heraus, als er sich nicht mehr bewegte …«
»Und er war tot?«, sagte Cazaril leise. »Die Anklage wegen Verrat war also …«
»Er war tot, ja. Aber nicht zum letzten Mal! Wir konnten ihn wiederbeleben, wenn auch mit knapper Not.«
»Oh.«
»Es hatte funktioniert, immerhin!« Sie presste die Hände zusammen. »Ich konnte es spüren, ich konnte es sehen, den Riss im Fluch! Aber dy Lutez verlor den Mut. In der nächsten Nacht wollte er sich kein zweites Mal untertauchen lassen. Er jammerte, ich wolle ihn aus Eifersucht ermorden. Dann haben Ias und ich einen Fehler gemacht.«
Cazaril konnte sich denken, worauf es hinauslief. Es half nichts. Wenn er die Augen schloss, würde er es trotzdem vor sich sehen! Also zwang er sich, die Augen offen zu lassen und Ista ins Gesicht zu blicken.
»Wir packten ihn und führten den zweiten Versuch mit Gewalt durch. Er schrie und weinte, Ias zauderte, aber ich rief: ›Wir müssen es tun! Denk an die Kinder!‹ Als wir ihn dieses Mal herauszogen,
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