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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Balkon hinausführen. Dieser wiederum überblickte den Hafen und die Werften, die das Herz von Zagosurs Wohlstand und Macht bildeten. Das silbrige Licht von der See her, diffus und blass, erleuchtete den Raum durch die großzügige Verglasung und ließ die Kerzenflammen in den Wandleuchtern fahl erscheinen.
    Ein halbes Dutzend Männer waren zugegen, doch Cazaril erkannte den Fuchs und dessen Sohn sofort. Mit über siebzig Jahren war der König von Ibra sehnig und fast kahlköpfig – das rotbraune Haar seiner jüngeren Tage war bis auf einen schmalen, weißen Saum rings um seinen Schädel zurückgewichen. Und doch war er im Alter nicht gebrechlich geworden, sondern voller Energie. Hellwach und entspannt saß er auf einem gepolsterten Stuhl. Der hoch gewachsene Jüngling, der an seiner Seite stand, besaß das glatte, braune, darthacanische Haar seiner verstorbenen Mutter, wenn auch durchsetzt von einem rötlichen Schimmer; seine Frisur war gerade geschnitten und eben lang genug, um einen Helm auszupolstern.
    Prinz Bergons meergrüner, ärmelloser Mantel war mit Hunderten von Perlen in Gestalt gekräuselter Brandungswellen bestickt, die das Kleidungsstück in eleganten, schweren Wogen schwingen ließen, als er sich den Neuankömmlingen zuwandte.
    Der Mann, der auf der anderen Seite des Fuchses stand, wurde durch seine Amtskette als Kanzler von Ibra ausgewiesen. Es war ein vorsichtig und eingeschüchtert dreinblickender Bursche und Handlanger des Fuchses, kein Rivale um die Macht.
    Die Abzeichen eines weiteren Mannes kennzeichneten diesen als Seeherrn – ein Admiral der Flotte Ibras.
    Cazaril ließ sich vor dem Fuchs auf ein Knie fallen, trotz seiner Schmerzen und obwohl er noch steif war vom Ritt. Er senkte sein Haupt. »Majestät, ich überbringe Euch traurige Kunde aus Chalion vom Tod des Prinzen Teidez sowie dringliche Briefe seiner Schwester, der Prinzessin Iselle.« Er brachte Iselles Beglaubigungsschreiben zum Vorschein.
    Der Fuchs erbrach das Siegel und überflog rasch die handschriftlichen Zeilen. Seine Brauen hoben sich, und interessiert blickte er wieder auf Cazaril. »Überaus interessant. Erhebt Euch, mein Herr Botschafter«, murmelte er.
    Cazaril holte Luft und rappelte sich auf, ohne sich mit der Hand auf dem Boden abstützen zu müssen oder – schlimmer noch – am Stuhl des Königs Halt zu suchen. Er schaute auf und bemerkte, dass Prinz Bergon ihn eindringlich musterte, einen nachdenklichen Ausdruck im Gesicht. Cazaril schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln. Bergon war alles in allem ein ziemlich gut gebauter junger Mann, mit ebenmäßigen Gesichtszügen; man konnte ihn sogar als hübsch bezeichnen, hätte er nicht so nachdenklich das Gesicht verzogen. Er schielte nicht, er hatte keine hängenden Lippen – ein wenig stämmig, aber fit, nicht fett. Er war jung und glatt rasiert, doch im Schatten auf seinem Kinn zeigte sich eine Vitalität, die vermuten ließ, dass er zu voller Männlichkeit herangewachsen war. Cazaril dachte bei sich, dass Iselle zufrieden sein sollte.
    Bergons Blick wurde eindringlicher. »Sprecht weiter«, sagte er.
    »Bitte, Hoheit?« Überrascht trat Cazaril zurück, als der Prinz nach vorn kam und ihn umrundete, seine Blicke von oben bis unten über Cazarils Körper wandern ließ und rascher atmete.
    »Zieht Euer Hemd aus!«, befahl Bergon plötzlich.
    »Was?«
    »Zieht das Hemd aus!«
    »Hoheit … Prinz Bergon …« Unversehens stand Cazaril wieder jene schreckliche Szene vor Augen, die dy Jironal inszeniert hatte, um ihn bei Orico zu verleumden. Doch in Zagosur gab es keine heiligen Krähen, die ihn retten konnten. »Ich bitte Euch, Hoheit, beschämt mich nicht in dieser Gesellschaft!«
    »Vor einem Jahr oder mehr – wurdet Ihr da nicht vor der Küste Ibras von Bord einer Roknari-Galeere gerettet?«
    »Ja …«
    »Zieht Euer Hemd aus!« Der Prinz umkreiste ihn wieder. Cazaril fühlte sich benommen. Er blickte auf den Fuchs, der ebenso verblüfft dreinblickte wie alle anderen, jedoch mit einer Handbewegung das eigenartige Begehren des Prinzen billigte.
    Verwirrt und verängstigt fügte sich Cazaril, löste die Posamentverschlüsse an seiner Tunika und legte sie zusammen mit seinem Mantel ab. Dann faltete er die Kleidung über seinen Arm. Er biss die Zähne zusammen und versuchte, Würde zu bewahren und jede Demütigung zu ertragen, die nun folgen mochte.
    »Ihr seid Caz! Ihr seid Cazaril!«, rief Bergon. Sein nachdenklicher Blick war einem dümmlichen Grinsen gewichen. Oh, ihr

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