Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
Vom Netzwerk:
sie vortrefflich geeignet ist auf Grund ihres einzigartigen Verstandes, ihres Geburtsrechts und ihres heiligen Anliegens. Anschließend werde ich Euch noch vieles andere zu sagen haben, Hoheit.«
    »Ich bin begierig, Euch anzuhören, Lord Cazaril.« Nach einem gespannten Blick durch den ganzen Raum entfernte Bergon sich schließlich zu einer Fenstertür, wo er das Siegel des Briefes erbrach und sofort zu lesen begann. Ein verwunderter Ausdruck zeigte sich auf seinem Gesicht – wie auch auf dem Gesicht des Fuchses.
     
    Cazaril und seine Begleiter wurden eingeladen, an diesem Abend in der königlichen Halle zu speisen. Kurz vor Sonnenuntergang gingen er und Bergon gemeinsam unterhalb der Burg am Strand spazieren. Cazarils Meinung nach kam diese Gelegenheit einer vertraulichen Unterhaltung so nahe, wie er es nur erhoffen konnte, und er bedeutete den Brüdern dy Gura, zurückzubleiben und ihnen außer Hörweite durch den Sand zu folgen. Das Rauschen der Brandung übertönte den Klang ihrer Stimmen. Einige weiße Möwen stießen herab und kreischten durchdringend wie Krähen oder pickten in den stinkenden Überresten, die das Meer auf dem nassen Sand zurückgelassen hatte. Cazaril dachte daran, dass diese Aasfresser mit ihren kalten, goldenen Augen hier in Ibra dem Bastard heilig waren.
    Bergon ließ seine schwer bewaffnete Wache ebenfalls in einiger Entfernung hinter ihnen gehen; ganz auf die Dienste dieser Männer verzichten wollte er nicht. Diese Vorsichtsmaßnahmen erinnerte Cazaril daran, dass der Bürgerkrieg in diesem Land erst seit kurzem zu Ende war, und dass Bergon bereits sowohl eine Spielfigur wie auch ein Spieler in diesem heimtückischen Spiel gewesen war. Ein Spieler, der offenbar sich selbst als Spielfigur geführt hatte.
    »Ich werde nie vergessen, wie ich Euch zum ersten Mal begegnet bin«, sagte Bergon, »als sie mich neben Euch auf die Ruderbank fallen ließen. Für einen Augenblick hatte ich mehr Angst vor Euch als vor den Roknari.«
    Cazaril grinste. »Nur weil ich eine schuppige, schorfige, sonnenverbrannte Vogelscheuche war, haarig und stinkend?«
    Bergon erwiderte das Grinsen. »So ungefähr«, gestand er verlegen. »Aber dann habt Ihr gelächelt, und Ihr sagtet, Guten Abend, junger Herr, gerade so, als wolltet Ihr mich einladen, eine Bank in einem Gasthaus mit Euch zu teilen und nicht eine Ruderbank.«
    »Nun, Ihr wart etwas Neues an Bord, und davon hatten wir nicht allzu viel.«
    »Ich habe später viel darüber nachgedacht. Ich nehme an, als es passierte, konnte ich nicht allzu klar denken …«
    »Natürlich nicht. Bei Eurer Ankunft wart Ihr ziemlich durcheinander.«
    »Allerdings. Entführt, verängstigt – gerade erst war ich zum ersten Mal richtig geschlagen worden. Aber Ihr habt mir geholfen. Habt mir gesagt, was ich tun muss, was ich zu erwarten habe. Habt mir beigebracht, zu überleben. Zweimal habt Ihr mir Wasser von Eurer eigenen Ration gegeben …«
    »Nur wenn Ihr es wirklich nötig hattet. Ich war bereits an die Hitze gewöhnt, Ihr aber nicht. Und mit der Zeit lernt man den Unterschied zwischen bloßem Unbehagen und dem fiebrigen Blick eines Mannes, der kurz vor dem Zusammenbruch steht.«
    »Ihr wart sehr freundlich.«
    Cazaril zuckte die Achseln. »Warum nicht? Was konnte mich das noch kosten?«
    Bergon schüttelte den Kopf. »Jeder Mensch kann freundlich sein, wenn es ihm gut geht. Ich hielt Freundlichkeit stets für eine banale Tugend. Doch als wir hungrig waren, durstig, verängstigt, dem Tod ins Auge sahen, inmitten des Schreckens, da wart Ihr immer noch so unerschütterlich höflich wie ein Edelmann, der mit sich selbst im Einklang steht.«
    »Die Umstände mögen schrecklich oder unausweichlich sein. Doch der Mensch hat stets eine Wahl – wenn schon nicht ob, dann zumindest wie man es erträgt.«
    »Ja. Aber das wusste ich nicht, ehe ich es nicht gesehen hatte. In diesem Moment fand ich die Hoffnung wieder, dass ich diese Tortur überleben könnte. Und nicht nur mein Körper, auch mein Verstand.«
    Cazaril lächelte trocken. »Mich hielt man zu diesem Zeitpunkt schon für halb verrückt.«
    Wieder schüttelte Bergon den Kopf und trat ein wenig silbergrauen Sand mit dem Stiefel auf, während sie weitergingen. Die tief im Westen stehende Sonne ließ einige kupferfarbene Strähnen in seinem dunklen, darthacanischen Haar aufleuchten.
    Bergons verstorbene Mutter galt in Chalion als durchtriebene, kriegerische Frau, ein Eindringling aus Darthacan, der den Zwist des Ehemannes

Weitere Kostenlose Bücher