Champagner und Stilettos
pubertäre Seelenpein auf Dauer gar nichts zu bedeuten hat .
Dabei kannte Brooke das Problem nur zu gut aus eigener Erfahrung. Auch sie war ihre ganze Schul- und die halbe Unizeit über unzufrieden mit ihrem Gewicht gewesen, bis sie mit Hilfe einer drakonischen Diät schließlich zwanzig Pfund abgenommen hatte. Fünfzehn davon hatte sie allerdings bald wieder auf den Rippen gehabt. Trotz gesunder Ernährung und eifrigen Joggens war sie auch jetzt wieder an der oberen Grenze dessen angelangt, was sie bei ihrer Größe wiegen durfte. Das wusste sie nur zu gut. Sie kam sich heuchlerisch vor, Kaylie zu beschwichtigen, wo sie doch selber täglich daran dachte, nur ja nicht noch mehr zuzunehmen.
»Du bist perfekt, Kaylie. Umringt von so vielen kleinen Prinzessinnen ist das vielleicht nicht immer leicht zu glauben, aber ich sage dir, du bist schön. Wenn du dich erst ein bisschen besser eingewöhnt hast, findest du auch Freundinnen, die mit dir auf einer Wellenlänge liegen. Und eh du dich’s versiehst, hast du die Schule sowieso hinter dir und findest dich auf einem tollen College wieder, wo alle auf ihre Weise perfekt sind. Das wird dir gefallen, das kann ich dir versprechen.«
Brookes Handy meldete sich mit dem Klavierklingelton, den sie Julians Nummer zugeordnet hatte. Weil er sie normalerweise nie anrief, wenn sie arbeitete, und sich sogar mit den SMS aufs Allernötigste beschränkte, konnte das nur bedeuten, dass etwas passiert war.
»Entschuldige, Kaylie, da muss ich kurz rangehen.« Sie drehte sich mit dem Bürostuhl zur Seite, um etwas ungestörter sprechen zu können. »Hi, ist alles in Ordnung? Ich bin gerade mitten in einer Beratung.«
»Brooke, du wirst es nicht glauben, aber –« Er legte eine dramatische Kunstpause ein.
»Also ehrlich, Julian, wenn das kein Notfall ist, ruf ich dich lieber später zurück.«
»Leo hat gerade angerufen. Ein Talentscout von der Tonight Show war letzte Woche bei dem Sony-Abend im Club. Sie wollen mich in die Show einladen!«
»Nein!«
»Doch! Ist schon alles unter Dach und Fach. Nächste Woche, Dienstagabend. Aufzeichnung um fünf. Ich komme als Live-Auftritt gleich nach den Interviews. Was sagst du dazu?«
»Schluck!«
»Mehr fällt dir nicht dazu ein?«
Sie vergaß einen Moment, wo sie war. »Ich kann’s nicht fassen. Ich meine, das ist ja echt … der Hammer!« Julian lachte. So locker und befreit hatte sie ihn schon lange nicht mehr erlebt. »Wann kommst du nach Hause? Das muss gefeiert werden. Ich hätte da auch schon eine Idee …«
»Hat die was mit meinem Lieblingsnetzdings zu tun?«
Brooke lächelte ins Handy. »Ich dachte mehr an den Dom Pérignon, für den wir noch nie einen geeigneten Anlass gefunden haben.«
»Das Netzdings! Diese Nachricht hier verdient Champagner und das Netzdings. Dann bis um acht? Ich kümmere mich ums Essen.«
»Musst du nicht. Ich kann auch was mitbringen. Oder lass uns doch ausgehen und richtig feiern!«
»Überlass das ruhig mir, okay?«
Ihr klopfte das Herz. Vielleicht würde er jetzt endlich mal mehr Zeit zu Hause verbringen können. Sie spürte das vertraute Kribbeln im Bauch, wie am Anfang ihrer Ehe, bevor die Routine sich eingeschlichen hatte. »Gerne. Also dann bis um acht. Und, Julian? Ich kann’s kaum erwarten.«
»Ich auch nicht.« Er verabschiedete sich mit einem Küsschen in den Hörer, was er seit Jahren nicht mehr gemacht hatte. Jetzt erst erinnerte Brooke sich wieder, wo sie war.
»Wow, das klingt ja spannend«, grinste Kaylie. »Heißes Date heute Abend?«
Es erstaunte Brooke immer wieder, wie jung diese Mädchen eigentlich waren, trotz ihrer selbstbewussten Sprüche und erschreckenden Vertrautheit mit allem, was angesagt war, angefangen bei Nulldiäten bis hin zu den besten Blowjob-Techniken. (Brooke hatte eine detaillierte Liste mit entsprechenden Tipps in einem liegen gelassenen Schulheft entdeckt – fast hätte sie sich selbst noch Notizen gemacht, wenn sie sich nicht so lächerlich dabei vorgekommen wäre, in Sachen Sex bei einer Schülerin abzukupfern.)
»Heißes Date mit meinem Ehemann «, stellte Brooke richtig, um nicht ganz das Gesicht zu verlieren. »Tut mir leid wegen der Störung. Also, zurück zu unserem –«
»Klang ja ganz schön aufregend«, sagte Kaylie. Sie ließ ihre Haarsträhne los und kaute an einem Fitzelchen Nagelhaut. »Was war denn los?«
Brooke war froh, das Mädchen einmal lächeln zu sehen. »Ja, es ist auch wirklich aufregend. Mein Mann ist Musiker, und er hat
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