Champagnerwillich: Roman
unproduktiv in den Tag hineinleben!
Moment mal, ist das nicht die Folge, in der JR Ewing erschossen wird. O mein Gott, die war unglaublich spannend. Vielleicht sollte ich erst danach …
Nein, nein, nein. Nur nicht schwach werden.
Also los, wo ist dieser doofe Expander? Ich weiß gar nicht, was man damit macht. Habe mir dieses Ding nur gekauft, weil ich das Wort Expander so toll finde und es sich immer so wahnsinnig erotisch anhört, wenn Sven aus der Finanzabteilung orgasmisch erzählt, er müsse heute wieder einige Workouts mit seinem »Ehxpahndher« machen. Könnte aber auch daran liegen, dass ich mir bei Svens verdammt sexy Anblick immer wünsche, nur ein einziges Mal beim Workout SEIN Expander sein zu dürfen.
Zurück zum Training. Ich verstricke mich also in diesem komischen Gestänge und versuche mit aller Kraft, eine muskelaktivierende Übung zu machen.
Vergebens!
Okay, vergessen wir das.
Zum Glück habe ich noch den Ergometer aus meiner »Ich bin in der Pubertät und wahnsinnig schlank«-Phase. Ich jogge also in mein Zimmer, knipse den Fernseher an und schwinge mich auf den Sattel.
Schwumm, schwumm, schwumm.
Das läuft ja besser, als ich dachte. Im Fernsehen lässt P. Diddy seine Goldketten zu coolen Rhythmen auf seinem weißen Pelzmantel zappeln, während ich trete und trete. MTV ist das Beste, was man beim Sporttreiben schauen kann. Plötzlich bist du umgeben von extrem gut aussehenden, durchtrainierten, schlanken Menschen. Da wächst der Gruppenzwang. Ganz automatisch!
Schwumm, schwumm, schwumm.
Das Rädchen meines Ergometers surrt weiter vor sich hin, und ich bilde mir beim Griff an meinen Hintern ein, schon erste Straffungen zu spüren.
Eine weitere Trainingseinheit und eine Dusche später sitze ich mit gemischten Gefühlen und mindestens einem halben Placebo-Kilo weniger Körpermasse in meinem Smart und lasse mir den Wind um die Nase wehen. Auf dem Beifahrersitz liegt der Schlüssel zu Nathans Wohnung, an dem ein kleines Herz von Tiffany baumelt. Auf der Rückseite ist in schwungvollen Lettern »In Ewigkeit dein« eingraviert. Nathan hatte es mir nach der verpatzten Radtour für EINEN gigantischen Euro bei Ebay ersteigert. Er war so wahnsinnig stolz auf sein kaufmännisches Kalkül und seine stahlharten Nerven bei dieser Versteigerung, dass er es allen prompt erzählte. Normalerweise würde er nur ungern überteuerten Schmuck kaufen, bei dem man Unsummen für den Namen bezahlt, aber dieses Mal hätte er eine Ausnahme gemacht, weil meine Augen bei dem Namen Tiffany angeblich ganz sonderbar angefangen hätten zu funkeln.
Also, was sich Männer so alles einbilden!
Ewigkeiten können verdammt kurz sein, denke ich mir, als ich den Schlüssel wenige Minuten später ins Schloss stecke. Wie immer ist die Wohnung blitzblank und aufgeräumt. Sie erinnert fast an ein Museum. Ein Ort, an dem man Einblicke in die Vergangenheit gewinnt. So fühle ich mich auch, als ich durch die Küche schlendere und daran denken muss, wie ich das erste Mal meinen Kontrollblick in Nathans Edelstahlkühlschrank gemacht habe. Fast nostalgisch öffne ich ihn erneut: kleine, grüne Oliven, ein Stückchen Camembert, französischer Orangensaft und eine Flasche Champagner. Fast wie am ersten Tag. Manche Dinge ändern sichnie … Dass die Lebensform Jil Schöneberg als Single angedacht ist, wohl auch nicht.
Im Wohnzimmer fällt mein Blick auf den Flachbildfernseher und die kleinen Dellen im Parkett, die meine Stilettos hinterlassen haben. Na, wenigstens bleibt etwas von mir zurück. Ich verabschiede mich von meinem virtuellen Freund Bob und mache mich auf den Weg ins Schlafzimmer.
Dort lasse ich mich erst mal auf das Bett plumpsen und streife mit einer Hand über Nathans Kopfkissen.
Habe ich einen Fehler gemacht?
Ein Anflug von Sehnsucht flutet meine Adern und schlägt in meinem Herzen seine Zelte auf.
Nein, diesmal habe ich alles richtig gemacht. Außerdem hat Nathan sich ja von mir getrennt. Schniefend suche ich meine Kleider zusammen, die noch im Schrank und im Badezimmer hängen. Da fällt mir ein, auf Nathans Schreibtisch muss noch mein Buch A History of Economics von John Kenneth Galbraith liegen. Ich habe noch nie eine Seite darin gelesen, aber ich nehme es gern zu Einladungen mit, um es dann dort zufällig zu vergessen. Sätze wie »Habe ich bei dir mein Buch A History of Economics liegen lassen?« wirken effektiver als jede Art von Statussymbol. Außerdem ist es mit 8,99 Euro absolut erschwinglich, falls es
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