Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Champagnerwillich: Roman

Champagnerwillich: Roman

Titel: Champagnerwillich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Möller
Vom Netzwerk:
fühle ich mich weniger vacat, je voller ich bin. Werde direkt mal schauen, welche edlen Tröpfchen Nathan in seinem Weinkeller hat.
    Vielleicht halten Ewigkeiten doch länger, als ich dachte, geht es mir durch den Kopf, als ich die Wohnungstür abschließe und den Schlüssel mit dem kleinen Herzen in meine Tasche plumpsen lasse.
    Gelernte Wörter: Ametrie = Missverhältnis;
    Mikrozephale = jemand, der einen abnorm kleinen Kopf hat;
    vacat = leer.

19

MONTAGS HAT DER HIMMEL
GESCHLOSSEN!
    H err Schnüttge.«
    »Frau Schöneberg.«
    »Wie lange kann ein Mensch eigentlich überleben, wenn er sich ausschließlich von Champagner ernährt?«
    »Ich sage es Ihnen, wenn ich wieder nüchtern bin.«
    »Verstehe.«
    Ich stöckele dem Tag der Entscheidung in meinen neuen Sergio-Rossi-Pumps und einem schwarzen Hosenanzug von Jil Sander entgegen. Versuche so beim Richter Vertrauen und Seriosität zu erwecken. Glaube aber, das hätte ich mir sparen können. Rechts neben mir läuft Luisa in verwaschenen Jeans und einem pinkfarbenen T-Shirt mit der neongelben Aufschrift »bE mY bABy«. Als ich sie auf ihren Zustand anspreche, sagt sie nur, sie hätte die ganze Nacht mit Cameron Diaz Stimmübungen für ihren neuen Film gemacht. Ich beschließe, sie noch mal zu fragen, wenn sie keinen Restalkohol mehr im Blut hat.
    Zu meiner Linken latscht mein Anwalt in seinen Allstars und einer Jeans mit umgeschlagenem Bund. Sehr überzeugend, wirklich! Er lässt hin und wieder eine Kaugummiblase unter seiner Nase zerplatzen. Ich frage mich, wo sindall die Tom-Cruise-und-Richard-Gere-Staranwälte, wenn man sie braucht? Hätte mich vielleicht doch, nachdem Nathan für mich als Verteidiger nicht mehr infrage kam, etwas eher nach passendem juristischem Beistand umsehen sollen.
    Als ich mit Miss Piggy im Rausch und einer Kaugummi kauenden Mickeymaus das Gerichtsgebäude betrete, nehme ich meine verdunkelte Sonnenbrille ab. (Musste mich vor der brutalen Presse schützen. Mich würde es nicht wundern, wenn während der Verhandlung eine Bürgervereinigung misshandelter Models vor dem bayerischen Amtsgericht eine Demo abhält. Mit wildem Gekreische und großen Plakaten mit Schreibfehlern. Dann ist hier ratzfatz ein Presserummel. Im Moment sehe ich allerdings nur den Kameramann eines Regionalsenders. Der scheint sich jedoch eher für die Außenfassade des Gebäudes zu interessieren und scheucht mich panisch aus dem Bild.) Ich überprüfe noch mal meine Hochsteckfrisur. Wenn doch nur Nathan oder Mark hier wäre. Aber sie scheinen beide nicht einmal mehr mit mir zu sprechen. Wie kann ich da auf salvierenden Beistand hoffen? Seit Nathan nach Mykonos geflogen ist, hat er sich nicht mehr gemeldet, und Mark und ich sind unfähig, uns in die Augen zu schauen. Da habe ich jahrelang von diesem Mann geträumt, und jetzt habe ich alles kaputtgemacht. Ich wünsche mir so sehr, es wäre wieder wie früher. Manchmal sollte man es einfach beim Träumen lassen.
    »Ganz ruhig, Jil. Wenn das heute nicht klappt, Cameron kennt da einen ganz tollen Anwalt.«
    »Ähm. Ja, danke, Luisa.« Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren.
    »Richtig. Das ist ’ne Sache von einer Stunde. Danach stolzieren Sie auf Ihren schönen Schuhen wieder aus dem Gerichtssaal und sind ein freier Mensch. Reine Formsache.«
    »Da wäre ich mir mal nicht so sicher, SieMöchtegernanwalt«, zischt die von hinten anrauschende Ursula Granada. Der Brustausschnitt und der Beinausschnitt ihres giftgrünen Kostüms liegen erstaunlicherweise nur um die zehn Zentimeter auseinander. Selbst ihre Pumps entblößen einen gigantischen Zehenausschnitt.
    »Ich würde hier eher von Möchtegernmodel sprechen«, keift mein Anwalt.
    Daraufhin nimmt Ursulas Gesicht die rote Farbe ihres Lippenstiftes an. Na ja, so sieht man wenigstens nicht mehr so sehr, dass er verschmiert ist.
    »Sie haben sie ja wohl nicht mehr alle, Sie, Sie …« Ursula reißt ihre in allen Regenbogenfarben glitzernde Tasche in die Höhe und ist im Begriff, meinem Anwalt eine überzubraten, als der ihre Hand ergreift und sagt: »Vorsicht, Sie Schabracke. Sonst zeige ich SIE wegen Körperverletzung an.«
    Lieber Gott, bitte tu doch etwas. Ich werde auch nie mehr irgendwelchen anderen Frauen die Schnäppchen bei H&M wegschnappen oder kleine Fädchen aus Kleidungsstücken pulen, um sie zum reduzierten Preis zu kriegen. Ich schwöre!
    Mein Stoßgebet scheint erhört zu werden, da sich im nächsten Moment die Türen des Gerichtssaals öffnen. Ich nuschle:

Weitere Kostenlose Bücher