Chandler vom Smaragd-Atoll
nicht zu unterscheiden ist. Schwarz und weiß blinkt es an dem hohen Deckengewölbe der Halle. An den hohen Wänden verläuft eine Galerie, deren einzelne Ebenen mit Treppen verbunden sind und Gänge führen zu zahlreichen Wohn-, Schlaf und Arbeits-Räumen.
Robert wurde es klamm ums Herz, als er die Treppe hinunterging und den Ort betrat, der die letzten Jahre seine Heimat gewesen war, seitdem sich seine Muttermuschel geöffnet hatte und er staunend und ehrfurchtsvoll zum ersten Mal hinausschwamm in die faszinierende Unterwasserwelt der Korallenriffe. Hier war er aufgewachsen in einer Gruppe, betreut von zwei Erziehern, in der farbenprächtigen Unterwasserwelt des riesigen Korallenriffes. Und er war schnell gewachsen. Je älter er wurde, desto mehr konnte er sich an die Geschehnisse auf der Erde erinnern.
Am klarsten kamen die Erinnerungen, wenn er auf den Plateaus oder Terrassen des Riffs saß. Seine Schulzeit begann, und er lernte das Innere der Riffe kennen. Nach 5 Jahren war seine Schulzeit beendet und er hatte seine jetzige Größe und seine volle Erinnerung an alles, was auf der Erde passiert war. Dann begann schon seine Ausbildung zum Therapeuten. Ein Beruf, der in den folgenden Jahren viele Fragen für ihn aufwarf, ohne dass er auf alle Fragen eine Antwort bekam. Er suchte nach Erkenntnis, aber sobald er glaubte, dass sich eine plausible Antwort auf eine Frage fand, tauchten neue Fragen auf.
Wie viel Zeit wohl auf der Erde inzwischen verstrichen war? Er wusste, dass es relativ war. Wollte er ihn, diesen Ort des Friedens im Wasser, wirklich freiwillig verlassen? Einen Ort der Ruhe, der beinahe vollkommen war. Robert atmete tief durch. Er lockerte den Griff seiner Hand. Der Verwirrte war inzwischen wieder ruhig und normal. Er überließ sich Roberts Führung, der seine Hand nur noch leicht um den Unterarm des Verwirrten gelegt hatte. Roberts Ziel war das Therapiezentrum der Onyx-Halle. Vorbeigehende grüssten Robert.
„Hallo, wieder da?“ Oder „Mensch, Robert, schön, dass du zurück bist“.
„Nur kurz, um diesen Verwirrten hier einzuliefern“.
Der Verwirrte hielt Roberts Hand fest, als wenn er noch Schutz brauchte, da seine innere Stabilität durcheinander geraten war, und sagte: „Ich bin immer noch total durcheinander und schwindelig“.
Dann standen sie vor der Tür, die in Roberts ehemaliges Arbeitszimmer führte. Sein Kollege Scharid saß an einem Schreibtisch und blickte von seiner Lektüre auf, als Robert eintrat.
„Hier habe ich Arbeit für dich“, sagte Robert und schob den Verwirrten ins Zimmer. Dann schloss er die Tür. Scharid hob kurz beide Handflächen grüßend nach oben.
„Kommst du zurück?“ wollte er wissen.
„Nein, ich wollte nur diesen Patienten hier abliefern. Er hat einen heftigen Veitstanz hinter sich und braucht vielleicht eine Bewältigungs-Therapie.
Scharid seufzte leicht auf, als wenn er enttäuscht wäre. „Schade, Robert. Ich habe dich bisher vermisst und werde dich also weiter vermissen müssen. Der Dekan will dich übrigens sehen. Er war anscheinend schon über dein Kommen informiert und sagte, ich sollte dich sofort zu ihm schicken.“
„Wann war das?“
„Vor ca. 3 Stunden.“
„Unmöglich, da gab es noch keinen Grund für mich hierherzukommen“.
„Robert, jetzt muss ich mich aber wundern.“
„Genau wie ich mich immer wieder wundere. Aber wie würde Paul jetzt sagen: Wenn die Zeit doch relativ ist, so ist es doch egal ob ein Ereignis 15 Minuten oder 3 Jahre zurückliegt.“
Scharid nickte bestätigend, erhob sich aus seinem Sessel, um Roberts Abschiedsumarmung entgegenzugehen. Dann wandte er sich seinem neuen Patienten zu, während Robert das Zimmer verließ. Draußen im Flur, atmete Robert einmal kurz durch, bevor er weiter in den Gang hineinging in Richtung des Dekanzimmers. Der Gang war hell erleuchtet als wenn von der Decke gelbe, warme Sonnenstrahlen fielen, aber als er vor der bereits geöffneten Tür des Dekans stand, nahm das Licht eine gleißend helle Schärfe an. Er trat in das helle weiße Licht des Zimmers und musste mit den Augen zwinkern, denn das Licht blendete ihn und tauchte den Raum in eine entrückte unwirkliche Szenerie. Vor ihm sah er die formvollendeten Einrichtungsgegenstände eines Büros, wie Schränke, Sessel, Schreibtisch, aber dahinter war nicht die übliche Wand aus fein bearbeiteten Korallensteinen, sondern eine sonnendurchflutete Parklandschaft, so dass es aussah, als wenn das Büro mitten in einem
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