Change

immer schwerer, zumal ich Mikes Blick dann und wann auf mir fühlte. Ich hatte mich während der Zeit, als ich mit den ‘Sudden Thing’-Mitgliedern im Studio gearbeitet hatte, fast daran gewöhnt, dass Mike ein anderer war, der in mir nur einen talentierten Sänger sah, aber nicht mehr. Eventuell empfand er Freundschaft für mich, doch alles andere lag außerhalb des Horizonts des Möglichen. Ich konnte nicht leugnen, dass ich mich schwer tat, dies zu akzeptieren und tief in mir loderte noch immer diese Flamme der Hoffnung, die darauf beharrte, das ich ihn nur Zeit geben und mich mehr anstrengen musste.
    Und nun wurde diese Flamme genährt – ich fühlte die Spannung in den Blicken – bildete mir ein, sie würden eine Bedeutung innehaben, auf die mein klopfendes Herz wartete.
     
    „Warum seid ihr eigentlich noch immer auf der Suche nach Sängern? Ich dachte, jetzt, wo wir bereits einige Demotapes mit meiner Stimme aufgenommen haben, solltet ihr euch entschieden haben?“, brachte ich mein Dilemma sogleich zur Sprache, kaum, dass wir uns jeweils ein Getränk bestellt hatten und einen vorsichtigen Schluck davon genommen hatten. Sorgsam verborgen hinter einer halben Trennwand saßen wir im hintersten Eck des Cafés, außer uns waren nur im vorderen Bereich Gäste anwesend. Das gedämpfte Gemurmel schaffte eine angenehme Atmosphäre, in der ich mich wohlfühlte, trotz Mikes dunklen Augen mir gegenüber, die mich fast ununterbrochen ansahen.
    „Es liegt daran, dass wir vor dir einen anderen Sänger hatten. Nathaniels Stimme unterscheidet sich stark von deiner und daran muss man sich erst gewöhnen. Das bedeutet nichts Schlechtes – aber Dexter hofft wohl noch darauf, dass wir einen Sänger finden könnten, der mehr wie Nathaniel ist, obwohl er, wenn er vernünftig nachdenken würde, erkennen könnte, das du die ideale Wahl sein kannst.“, erklärte der Emcee, sprach langsam und nippte an seinem Kaffee, leckte sich über die Oberlippe, räusperte sich.
    „Dylan und Jay sind ebenfalls noch skeptisch – aber das ist wirklich nur, weil sie sich nicht sicher in Bezug auf deinen Charakter und deine Durchhaltekraft sind – von deiner Stimme und Performance sind sie überzeugt. Sebastian hingegen hält sich aus der Entscheidung raus, aber er mag dich – daher würde er sicher anderer Meinung als die drei sein.“
    „Und was ist mit dir?“, fragte ich ihn, lauschte seinen gleichmäßigen Atemzügen, ging seine Erklärung nochmals im Kopf durch. Sie überraschte mich nicht wirklich, enttäuschte mich nicht. Vielmehr gab sie mir Gewissheit.
    Mike seufzte, umfasste seine Tasse mit beiden Händen und wich meinem Blick aus. Er starrte auf die Flüssigkeit, die er sanft hin und herschwappen ließ. Langsam setzte er zu einer Antwort an, ließ mich die Ohren spitzen, um seiner gedämpften Stimme folgen zu können.
    „Ich? Naja – das klingt vielleicht seltsam – aber ich war sofort von dir überzeugt. Schon als ich dich sah – da war etwas, das mir nicht bekannt vor kam, aber etwas, das mir sagte, dass du etwas Besonderes bist, genau der, der uns gefehlt hat – und mir.“, flüsterte er zuletzt, so leise, das ich mir nicht sicher war, ob ich mir die letzten Worte einbildete. Und doch waren es genau diese Worte, die eine elektrisierende Welle an Hoffnung, Nervosität, Erwartung und Freude in mir aufbranden ließen. Ich erwiderte nichts, sah ihn nur an, erneut fasziniert und gefangen von seiner Anmut, seiner Art, sich in meinen Augen vollständig von allen anderen abzuheben. Ich fühlte, wie sich etwas verändert hatte – etwas Altes, Neues war im Begriff, erneut zu beginnen.

35. Kapitel
     
     
    Mai 1998 – Aiden
     
     
    Mein Leben in einem Wort zu beschreiben, ist schwierig, wenn nicht geradezu unmöglich. Wie sollte man auch „seelisches Gefühlschaos“ näher beschreiben können? Nichts verlief in den geregelten Bahnen, denen ich bisher gefolgt war. Seit ich jedoch hier das erste Mal auf die Mitglieder von ‘Sudden Thing’ getroffen war, schien alles im Chaos zu versinken – doch aus diesem Chaos brach etwas Neues hervor – eine neue Chance für mich, all das zu bekommen, was ich immer geträumt hatte und doch noch nicht erlangen konnte – oder bereits wieder verloren hatte.
    Ich war noch nicht offiziell als neuer Sänger von ‘Sudden Thing’ bestätigt, doch glaubte ich nicht, dass ein anderer Sänger mir vorgezogen werden könnte – dazu strengte ich mich zu sehr an, alle zu überzeugen. Und die