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Change

Change

Titel: Change Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luisa Raphael
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drehte sich um, ging in stürmischen Schritten die Straße entlang, weg von uns. Die anderen beiden schlossen sich ihm an, warfen nur noch taxierende Blicke nach hinten. Mike begegnete ihnen aufrecht, warnend. Erst als sie um eine Ecke gebogen und aus unserem Sichtfeld entflohen waren, drehte er sich zu mir um – gerade rechtzeitig, um Zeuge meines Zusammenbruchs zu werden. Mein Körper zitterte unaufhaltsam, Schluchzer schüttelten mich und ich wäre beinahe umgefallen, so schwach fühlten sich meine Beine an, hätte Mike mich nicht in seine Arme gezogen. Automatisch erwiderte ich die Umarmung, hielt mich an ihm fest, schluchzte lautlos. Ich spürte seinen warmen Atem im Gesicht, seine warmen Finger, die sanft mit einem Taschentuch die Tränen wegwischten, wie er schließlich meine bebenden Lippen küsste und mir leise, beruhigende Worte zuflüsterte.
    „Ich bin hier, Aiden. Und ich liebe dich, egal was passieren wird oder passiert ist in der Vergangenheit.“
    Mein Geist wärmte sich an diesen Worten, ebenso wie es mein Körper an seinem tat. Ich verstand nicht, was hier geschehen war, warum Mike mich verteidigt hatte. Wie viel er aus dem heute Erfahrenen geschlossen hatte, was er sich über meine grausame Vergangenheit zusammengereimt hatte. Doch eins wusste ich – jetzt, in dem Moment war er bei mir und hielt mich, beschützte mich – nicht nur vor mir selber, auch vor anderen. Und ich war ihm so dankbar, auch wenn es mich erschrecken ließ, wie selbstlos er seine Zuneigung zur Schau stellte. Es schien ihn nicht zu grämen, was dies für ein Bild auf ihn werfen konnte – er tat trotzdem das, was er tun musste, um mich zu beschützen.
     

27. Kapitel
     
     
    August 1994 - Aiden
     
     
    Mikes Schweigen ängstigte mich. Wie ein alles erdrückender Nebel lag es auf uns, zwischen uns, trennte uns voneinander trotz der Tatsache, dass Mike seinen Arm um meine Taille geschlungen hatte und unbeeindruckt davon, wie das wohl aussehen mochte, mit mir durch die Stadt gehetzt war – auf kürzestem Weg in seine Wohnung. Meinen noch immer tränenblinden Augen waren dabei einige Details des Weges entgangen, weshalb ich mich fast schon gewundert hatte, als wir angekommen waren.
    Mein erschrockener Blick fand Mikes – der mich stumm und zweifelnd ansah, fast als wüsste er nicht, was er tun oder sagen sollte. Und dieser Ausdruck – den ich bei Mike häufiger sah, wenn ich ihn mal wieder überforderte – machte mir just in diesem Moment eine unbeschreibliche Angst. Er war plötzlich so anhänglich und sanft zu mir, so auf Nähe bedacht, mehr als sonst - und das obwohl er mir vorhin einen handfesten Grund genannt hatte, warum meine Nähe für ihn nicht immer unbedingt nur schön war. Doch jetzt schien dies vergessen zu sein, jetzt schien jede seiner Handlungen nur einem Ziel zu dienen: Mir zu zeigen, dass er zu mir stand – egal was passiert war oder passieren würde.
    Und das konnte nur eins bedeuten: Er wusste, was mir passiert war. Er musste es aus den versteckten Andeutungen meinerseits und den extrem offensichtlichen von den Leuten, denen wir gerade begegnet waren, herausgelesen haben. Das, wovor ich mich so gefürchtet hatte und was ich unbedingt vermeiden wollte, sollte schließlich doch eingetreten sein?
    Wie sollte Mike darauf reagieren, was sollte er von mir denken, jetzt, da er wissen musste, dass ich vergewaltigt worden war, und das vor nicht allzu langer Zeit? Würde er mich nun nur noch als bemitleidenswertes Opfer sehen? Würde er angeekelt sein bei dem Gedanken, dass mein Körper, das, was er selber begehrte zu berühren und eventuell – sollte ich es zulassen – mit mir Sex zu haben, gewaltsam von diesen Typen missbraucht worden war? Würde er überhaupt noch ebendiese Gefühle für mich haben, die er vorhin noch halb verflucht hatte? Würde er noch immer mich begehren können? Oder war jetzt alles vorbei?
    Bei diesen Gedanken verschlimmerte sich mein Tränenstrom, ein verzweifelter Schluchzer schüttelte mich, ich konnte nichts dagegen tun, um mich zu beruhigen – meine Nerven spielten verrückt. Mikes Hand bohrte sich fest in meine Schulter, schüttelte mich sacht, richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn.
    „Aiden, bitte, sieh mich an und beruhige dich. Ich bin doch hier, die können dir nichts tun, wenn ich bei dir bin, das verspreche ich!“, brach Mike endlich das Schweigen, seine Stimme klang ungewohnt hoch. Sein Griff drückte unangenehm auf meinen Armknochen. Doch wenigstens konnte ich

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