Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chaos Erde

Chaos Erde

Titel: Chaos Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
Vom Netzwerk:
wir eigentlich?« erkundigte er sich bei der Päpstin.
    »Nein«, antwortete Johanna II. kurzangebunden aus einer Qualmwolke ihrer Zigarre. Zugluft wehte den Rauch hinter die Päpstin; darüber war Quaddel froh. Auch wenn sie vielleicht nur aus Shund fabriziert war, der Rauch brannte ebenso in den Augen und stank genauso wie Tabaksqualm.
    »Bei vielen Spezies geschieht es«, ergänzte Kardinal Nummerneun seine Oberhirtin mit einem Nicken, »aber wir gehören nicht dazu. Erzählen Sie weiter.«
    Wie kann er so etwas aussprechen, ohne in Geschrei zu verfallen? Wie ist jemandem so etwas möglich?
    Mittels einer enormen Willensanstrengung bewahrte Quaddel die Ruhe und machte sich an seine klärenden Darlegungen.
    »Angefangen hat alles…«
     
    Wie? Höchstwahrscheinlich mit einem Zeitungsartikel, der schilderte, wie man nach dem Ableben des letzten Chomo Lama – des Oberbonzen einer Schismatikersekte tibetischer Buddhisten, die das Supremat des Dalai Lama ablehnte – eine weltweite Suche nach seinem Nachfolger organisiert hatte, von dem man annahm, er sei ein zweijähriger Junge. Woran sollte man ihn erkennen können? Die Kriterien lauteten: daß er spontan Verse aus den buddhistischen Sutren zitierte; daß er Gegenstände aus dem Besitz seines Vorgängers erkannte, nämlich Gewänder, Fächer und Spiegel; und daß er, brachte man ihn in die Residenz des Chomo Lama (einen ummauerten Wohnsitz in Beijing, wo der Chomo Lama ab und zu Ansprachen an seine Anhänger in Tibet auf Video aufzeichnen durfte – die Handvoll Tibeter, die trotz seines Kotaus vor den Chinesen zu ihm hielten), augenblicklich die Funktion jedes Zimmers und vielleicht auch die Namen des Hauspersonals wußte.
    Pastorin Präriemond Flamen und Pastor-Häuptling Dosenschildkröte Quaddel hatten einen gerade zwei Jährchen alt gewordenen Sohn, eine Hypothek und Raten für ein Auto abzustottern sowie zu hohe Kreditkarten-Rechnungen. (Obwohl sie sich nur dreizehn Kreditkarten leisteten.) Was sieben oder acht Jahre hindurch sich als zwar kleine, aber doch ziemlich lukrative Kirche bewährt hatte, verlor derzeit zusehends die Gemeinde, ohne daß man dafür verständliche, einleuchtende Gründe hätte erkennen können, außer daß a) das Gleichbleibende des Ritus die frommen Schäflein inzwischen stark langweilte und b) das Geistlichenpaar, das die Zeremonien gewöhnlich nackt vollzog, nicht mehr so schlank, muskulös und insgesamt gutaussehend war wie zu Anfang, besonders Häuptling Dosenschildkröte nicht, der einen Schmerbauch ansetzte.
    »Hau, was lese ich denn da?« rief Präriemond, die ihre Nase tief in die das Anzeigenblatt Hypermarktpost steckte. »Wo läßt sich feststellen, wie tibetische Spiegel aussehen?«
    »How!« antwortete Häuptling Dosenschildkröte gewohnheitsmäßig. Er hatte seinen Namen angenommen und sich seine alltägliche Grußformel angewöhnt, weil seine und Pastorin Präriemonds Kirche tief, tief aus der uramerikanischen Symbolik schöpften; das Hauptzeremoniell jedes Gottesdienstes beispielsweise bestand darin, daß Präriemond splitterfasernackt durch die Maisfelder schritt und die Maiskolben streichelte, so wie Minnehaha in Longfellows Ballade Hiawatha. Aus praktischen Erwägungen dienten dann als Maisfelder allerdings die Stuhlreihen, in denen die Gemeindemitglieder saßen.
    »Und wie«, fragte Präriemond nach flüchtigem Stirnrunzeln, »können wir diese Chomo-Lama-Fahnder, die gegenwärtig die Welt abklappern, zu uns holen?« Sie warf dem Pastor-Häuptling den Zeitungsartikel zu und deutete mit dem Zeigefinger auf den entscheidenden Absatz.
    Der Häuptling las den Text und dachte anschließend für ein Weilchen nach. Schließlich heftete er den Blick auf den gemeinsamen Sohn, der in der anderen Ecke des Wohnzimmers in seinem Laufställchen spielte.
    »Ich bezweifle, daß Tauchender Biber dafür in Frage kommt. Er hat ja überhaupt gerade erst richtig zu sprechen gelernt.«
    »Er wird sich schon umstellen«, sagte Präriemond mit grimmig-entschlossenem Nachdruck und langte nach dem Telefon. »Er muß sich eben einigem anpassen… Ja, Ultramondäne Buchhandlung? Hallo, Joey, ich bin’s, Präriemond. Sag mal, habt ihr irgendwelche Bücher über das Tibetische im Laden? Ich meine nicht das Totenbuch, das haben wir.«
    »He, hör mal…«, rief Häuptling Dosenschildkröte entrüstet. Mit einem strengen Blick brachte Präriemond ihn zum Schweigen.
    »Weißt du, Biber spricht neuerdings in einer nichtenglischen Sprache, und

Weitere Kostenlose Bücher