Chaosprinz Band 1
und da sollten wir über angenehmere Dinge sprechen, oder? Und außerdem macht das alles doch bestimmt keinen guten Eindruck auf unseren neuen Schüler.« Baummann schaut mich an. Er lächelt und ich werde ein bisschen rot. Immer noch lächelnd kommt er auf mich zu und streckt mir seine Hand entgegen.
»Sie müssen Tobias sein.« Ich nicke und erwidere den warmen, festen Händedruck. »Herzlich willkommen und ich hoffe, Sie werden sich hier bei uns wohlfühlen.« Seine grünen Augen blitzen mich freundlich an und meine Wangen werden noch etwas wärmer. Er hat tolle Augen, dieses sanfte Moosgrün, gepaart mit bernsteinfarbenen Sprenkeln...
»Danke«, sage ich und hoffe, dass es irgendwie in den Zusammenhang passt. Ich fürchte, ich bin gerade etwas unaufmerksam gewesen... Herr Baummann lächelt noch einmal, dann geht er zurück zu seinem Pult und klatscht motivierend in die Hände.
»So, genug der Formalitäten. Nun wollen wir uns mal ein bisschen mit dem Stoff der kommenden zwei Jahre beschäftigen...« Die Klasse stöhnt theatralisch auf. »Na, na, meine Lieben, so schlimm wird's schon nicht werden. Ich habe Ihnen hier schon mal ein paar Exemplare der Literatur mitgebracht, die wir in dieser Zeit durcharbeiten werden.« Er deutet auf einen Stapel Bücher und Dirk jammert laut: »So viele?« Wieder allgemeines Gelächter.
»Keine Sorge, Dirk, ich möchte Sie nicht stressen. Wir lassen uns genügend Zeit, sodass Sie nie zwei Bücher gleichzeitig lesen müssen und immer noch genug Zeit für Ihre anderen Aufgaben haben.« Baummann zwinkert Dirk zu, der einen ziemlich roten Kopf hat und beginnt dann, zu jedem der Bücher eine kurze Inhaltsangabe zu geben.
Ich bin begeistert. Von dem künftigen Unterrichtsstoff und dem Lehrer mit den grünen Augen und dem Dreitagebart. Ich habe Deutsch immer gemocht, aber nun wird es wohl mein absolutes Lieblingsfach sein... bei diesem Traummann!
»Er ist toll, nicht«, flüstert mir Lena ins Ohr. Ich nicke hastig und schaue dann sofort wieder nach vorne, um ja nichts von dem zu verpassen, was Baummann uns gerade erzählt. »Du musst nur aufpassen, dass du niemanden vernachlässigst...« Sie zieht vielsagend ihre Augenbrauen nach oben.
Ich blinzle sie verwirrt an. »Was meinst du?«
»Alex...«
Überrascht wende ich den Kopf und merke erst jetzt, dass Alex mich unauffällig beobachtet. Wir sehen uns an. Er schiebt sofort wieder seine Unterlippe nach vorne und schaut dann demonstrativ in eine andere Richtung.
»Was ist denn jetzt schon wieder kaputt?« Verwirrt fahre ich mir durch die langen Haare. Mann, dieser Typ ist aber auch anstrengend...
»Er ist eifersüchtig...« Lena kann sich ein Kichern nicht verkneifen.
»Wieso?« Ich stelle mich blöd, hab Lena ja immer noch nichts von Alex und mir erzählt, obwohl ich davon überzeugt bin, dass sie es längst weiß.
»Wieso?« Schnaubend sieht sie mich an. »Tobi, ich bin doch nicht blind. Und selbst wenn ich es wäre, spätestens nach Toms unauffälligen Kommentaren...« Sie sieht mir fest in die Augen und spart sich den Rest des Satzes.
Ich nicke nur stumm, schaue dann wieder zur Tafel. Was soll ich denn auch sagen? Lena weiß es. Aber ist da überhaupt was? Hm, rein theoretisch und ganz offiziell sind wir nur Stiefbrüder. Stiefbrüder, die eine Nacht miteinander verbracht haben, das war's...
Eigentlich ist ja alles zwischen uns geklärt: Ich bin in ihn verknallt und er kann oder will nicht mit mir zusammen sein. Ende der Diskussion. Im Grunde ist dies der Zeitpunkt, an dem im Kino immer der Abspann kommt. Kein oscarreifer Blockbuster, aber doch ganz gute Donnerstagabend- SAT.1 -Unterhaltung. Ich seufze, aber so sehr ich mich auch anstrenge, ich kann den Abspann noch nicht erkennen...
Vielleicht ist unser Film ja auch noch gar nicht zu Ende, vielleicht haben wir gerade die erste Werbepause hinter uns gelassen und nun fängt die Handlung erst an, komplexer zu werden. Und dann könnte es immer noch ein Happy End geben...
Leicht vor mich hin lächelnd, blinzele ich noch einmal in Alex' Richtung. Hm, der sieht gerade nicht so sehr nach Happy End aus. Meine Gedanken lassen mich nicht los und beschäftigen mich die gesamte Stunde über. Beinahe hätte ich das Ende des Unterrichts verpasst.
»Komm schon, du Träumer, wir müssen hoch in den Kunstsaal.« Unsanft knufft mich Lena mit dem Ellenbogen in die Rippen.
Ich brauche ein paar Minuten, um den Weg aus meiner Gedankenwelt zurückzufinden. Alex und Tom warten an der Tür auf
Weitere Kostenlose Bücher