Chaosprinz Band 1
Wirkung auf Schüler hat. Er stellt seine Aktentasche auf das Lehrerpult und blickt lächelnd in die Runde. Als sich unsere Blicke begegnen, zwinkert er unmerklich und ich werde wieder rot.
Der Unterricht beginnt. Wir haben gerade angefangen, Kabale und Liebe von Schiller zu lesen. Bäumchen fordert uns auf, die verschiedenen Personen zu charakterisieren, und lässt uns über die Einstellungen und Ansichten von Schillers Figuren diskutieren. Alle beteiligen sich rege an der Aufgabenstellung. Nur ich nicht. Ich starre stumm auf das Cover meines Buches.
Ich möchte mich ja konzentrieren, wirklich, aber es geht einfach nicht. Mein Herz schlägt so laut, es dröhnt in meinen Ohren wider. Er ist nur einen knappen Meter von mir entfernt. Wenn ich meinen Arm ausstrecke und mich hinüberbeuge, dann könnte ich seine Schulter berühren. Zwischen uns ist nur der schmale Gang. Ich spüre ihn. Spüre seine Gegenwart…
Ich gehe ihm aus dem Weg. So gut ich eben kann. Darum fahre ich seit Beginn der Woche auch nur noch mit dem Bus zur Schule. Und nach dem Unterricht gehe ich entweder mit zu Lena nach Hause oder ich besuche Marc und Manu, wenn ich nicht gerade bei Ludwig im Laden arbeiten muss.
Martha und Bettina haben mich gefragt, ob ich mich mit Alex gestritten hätte. Ich habe Ja gesagt. Ist nicht einmal so richtig gelogen und die einfachste Erklärung für mein Verhalten.
Lena hat mir geraten, mich in der Schule weniger auffällig zu verhalten. »Auch wenn es dir schwerfällt, versuch, ihm gegenüber nicht ganz so abweisend zu sein. Die anderen zerreißen sich schon das Maul über euch…«
Aber es geht nicht.
Marcs Aussage hat mich am meisten getroffen… wahrscheinlich deshalb, weil er wie immer recht hat. Am Sonntag nach dem Frühstück fuhr ich sofort zu den beiden. Wie ein Wahnsinniger klingelte ich an ihrer Wohnungstür Sturm. Es dauerte einige Zeit, doch dann konnte ich jemanden durch den Flur schlurfen hören.
»Ja, ja, ja...« Manus gedämpfte Stimme. Er klang genervt. Schwungvoll riss er die Tür auf und ich warf mich schluchzend in seine Arme.
»Was…?« Er taumelte überrascht, brauchte einige Sekunden, ehe er mich erkannt hatte, dann legte er schnell und schützend seine starken Arme um mich. »Tobi, was ist denn passiert? Alles okay? Geht's dir gut?«
Ich drückte mein Gesicht an seinen Brustkorb. »Alexwillnichtmitmirzusammenseindabeiliebtermichauchundwirhattensex«, heulte ich.
»Was? Kleiner, ich kann kein Wort verstehen. Geh am besten nach hinten ins Schlafzimmer. Ich werde dir schnell einen heißen Tee machen.« Es war ihm anzumerken, dass mein Auftreten ihn ziemlich überforderte.
Schniefend schleuderte ich meine Schuhe von mir und tapste auf Strümpfen in Manus und Marcs Zimmer. Marc lag im Bett und las eine Sonntagszeitung. Sanfte Musik spielte im Hintergrund. Die Fenster standen offen und es roch nach frischer Luft und Kaffee. Auf einem Tablett neben dem Bett befanden sich zwei Tassen und zwei Teller. Die beiden hatten wohl heute ihr Frühstück im Bett genossen.
Verdutzt blickte Marc auf und legte die Zeitung beiseite. Seine dunklen Haare waren stark zerstrubbelt und er trug nur Boxershorts und ein Schlafshirt. Ich krabbelte aufs Bett.
»Was machst du denn hier?«, fragte Marc und fügte dann noch schnell hinzu: »Hey, nicht mit Straßenklamotten in mein Bett!« Doch ich ignorierte seine Einwände. Ich legte mich auf Manus Seite des Bettes und zog mir seine Decke über den Kopf.
»Tobias? Ich finde das gar nicht witzig! Was ist los?« Marc zerrte an der Decke und schaute mir fragend ins Gesicht. Seine harte Miene wurde etwas weicher, als er meine rot geweinten Augen sah. »Ist was passiert?«, fragte er sanfter. Ich rollte mich zu ihm herüber und legte meinen Kopf auf seine Brust. Er fing an, meinen Rücken zu streicheln. »Sag schon, was ist?«
Ich konnte nicht sprechen. Es war so schön, einfach nur festgehalten zu werden. Marcs Körper war warm und roch sehr gut. Ich schloss die Augen und fühlte mich so sicher. Manu kam und brachte mir eine Tasse Tee.
Er legte sich zu uns ins Bett und schweigend kuschelten wir eine kleine Weile, bis es Marc vor Ungeduld nicht mehr aushielt und mich zu einer Antwort drängte.
Und so erzählte ich ihnen von den letzten Ereignissen. Als ich geendet hatte, weinte ich wieder. Manu strich mir mitfühlend das Haar beiseite und reichte mir ein Taschentuch, doch Marc sah mich nur fragend an.
»Natürlich kann ich deinen Schmerz verstehen, Tobi. Du bist
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