Chaosprinz Band 1
entdecke die beiden einige Meter von uns entfernt. Janosch schaut einem langen, schlaksigen Kerl ganz tief in die Augen und flüstert ihm immer wieder Kleinigkeiten ins Ohr. Und Jens schleift gerade einen extrem gutaussehenden jungen Mann hinter sich her und steuert verdächtig zielstrebig den Darkroom an.
»Tanz doch mit uns.« Ich habe Marcs Oberarm immer noch nicht losgelassen.
»Nee, da ist kein Platz für mich…« Er grinst wieder. »Ich gehe zur Bar.«
»Dann kommen wir mit dir«, sage ich entschieden.
»Tobi, ich bin schon ein großer Junge, ich brauche keine Unterhaltung. Tanzt ruhig weiter.« Er löst seinen Arm aus meinem Griff, lächelt Kim noch einmal zu und kämpft sich dann durch die Menge Richtung Bar. Kim zieht mich wieder an sich.
»Alles okay?«, raunt er mir ins Ohr.
»Ja, sicher…« Ich lege meinen Kopf auf seine Schulter. Wir tanzen nun ruhiger, entspannter, weniger erotisch, dafür aber vertrauter. Eigentlich haben wir die Tanzfläche schon halb verlassen, küssend und schmusend stehen wir am Rand. Kim lehnt an einer der großen Säulen und ich liege in seinen Armen, lasse mich von ihm streicheln und liebkosen.
»Wir bleiben nicht mehr lange, oder?«, fragt er mich und tastet ruhig und zärtlich meinen Rücken ab.
»Nein«, nuschle ich und streife dabei mit meinen Lippen seinen Hals.
»Gut…« Er lacht und ich spüre die Vibration in seiner Kehle und seiner Brust.
Ich muss an sein Bett denken und plötzlich kann es mir gar nicht mehr schmal genug sein. Warme Wellen durchfluten meinen Körper. Dieser Zustand der unterschwelligen Erregung dauert nun schon Stunden an und macht mich wirklich hibbelig. Ich glaube, ich will nicht mehr warten… Fühlt sich alles so sicher an, so richtig!
»Komm, wir suchen die andern und sagen Bescheid, dass wir jetzt gehen.« Meine Stimme zittert. Kim sieht mich überrascht an, dann grinst er wieder, schnappt sich meine Hand und zerrt mich eilig Richtung Bar. Ich muss lachen, habe Mühe ihm zu folgen und stolpere beinahe.
Der Club ist immer noch wahnsinnig voll. Kim zieht mich so schnell hinter sich her, dass ich kaum Zeit habe, richtig auf meine Umgebung zu achten. Hart remple ich jemanden mit der Schulter an.
»Tut mir leid«, rufe ich und drehe mich kurz um.
Eiskalt rinnt mir der Schreck wie Wasser den Rücken hinunter. Ich reiße mich augenblicklich von Kim los und bleibe stocksteif stehen. Mein Herz weiß vor lauter Schock nicht, ob es wild schlagen oder für immer anhalten soll.
»Was ist los?«, fragt Kim und sieht mich verwirrt an. Ich drehe mich langsam um. Der Mann hat sich keinen Millimeter bewegt. Auch seine Augen sind riesengroß, weit aufgerissen und er wirkt erschreckend bleich.
»Tobi?« Ich kann ihn nicht wirklich verstehen, doch aufgrund der Bewegung seines Mundes denke ich, dass er meinen Namen gesagt hat.
»Herr Baummann?«, flüstere ich.
Er steht vor mir. Der Mann, den ich sonst nur mit einer weißen Kreide in der Hand vor einer Tafel sehe. Der Mann, den ich bisher nur über literarische Epochen und den Kanon der klassischen Literatur habe sprechen hören. Dieser Mann trägt momentan nur eine enge, schwarze Lederhose. Er präsentiert seinen durchtrainierten, nackten Oberkörper. Deutlich sichtbar zeichnen sich die Bauchmuskeln ab und eine dunkle Spur von Haaren führt von seinem Bauchnabel nach unten… Ich schlucke.
»Hallo«, sage ich mit krächzender Stimme und starre ihn immer noch total verwirrt an.
Er ist totenbleich. Kim stellt sich demonstrativ neben mich und blickt fragend und misstrauisch zwischen uns hin und her.
»Darf ich fragen, wer das ist?« Er legt einen Arm um meine Schulter.
»Äh…« Ich werde rot und blass und wieder rot. »Das ist… mein Deutschlehrer, Herr Baummann.«
Ich schlucke. Kim reißt seine Augen auf, schaut den dunkelhaarigen Mann neugierig an und muss ein bisschen grinsen.
»Tobi, ich… gehen wir mal etwas an den Rand, wir stehen hier ziemlich im Weg.« Er hat recht, immer wieder müssen wir Männern ausweichen, die sich grob an uns vorbeidrängen. Ich gehorche natürlich sofort – ist ja schließlich mein Lehrer.
Kim und ich folgen Baummann zu einer der Säulen. Hier kann man ungestörter reden und muss auch nicht ganz so sehr gegen die laute Musik anschreien. Er dreht sich seufzend zu mir um, seine Hände in den schulterlangen, dunklen Haaren vergraben.
»Ich weiß, um ehrlich zu sein, nicht, was ich sagen soll!«
»Sie müssen gar nichts sagen«, werfe ich schnell
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