Chaosprinz Band 2
armen Marc, der immer bleicher wird. Manu trägt seine dunkelbraune Lederjacke, die ihm so wahnsinnig gut steht.
Dank seiner Größe zieht er wie immer viele Blicke auf sich. Breitschultrig und stark steht er da, die Hände in den Hosentaschen seiner modischen Jeans vergraben. Hin und wieder streicht er sich eine braune Strähne seines wuscheligen Haares aus der Stirn. Wenn er lächelt, dann blitzen seine weißen Zähne. Und er lächelt gerade… lächelt Ben an.
»Komm wir gehen!« Panisch drehe ich mich um, taste nach Marc, bekomme seinen Arm zu fassen und ziehe an ihm. Er ist ganz starr, ganz steif. Sein ganzer Körper scheint die Fähigkeit, sich bewegen zu können, verloren zu haben. Immer noch ist sein Blick auf die beiden Männer gerichtet.
»Komm jetzt!«, fordere ich ihn bittend auf und zerre erneut an seinem Arm.
Plötzlich fährt ein Ruck durch Marcs Glieder. Er rührt sich, taumelt zurück und dreht sich vollkommen orientierungslos zur Seite. Mit ein, zwei unkoordinierten Schritten hastet er auf die Fahrbahn, will die Straße überqueren. Ich folge ihm, so schnell ich kann.
Ein Auto kommt angerauscht. Ich bekomme Marcs Arm zu fassen und ziehe ihn grob zurück. Gerade noch rechtzeitig. Der Wagen bremst quietschend ab. Fuchtelnd und fluchend reckt uns der Fahrer seinen Mittelfinger entgegen. Ich atme erleichtert aus. Mein Puls rast.
»Das war knapp«, flüstere ich. Der gequälte Protestschrei der Autobremsen hat die Aufmerksamkeit einiger Leute auf uns gezogen. Ich kann neugierige Blicke in meinem Rücken spüren. Wahrscheinlich denken die meisten, wir wären betrunken.
Dann ein Rufen. Manus tiefe Stimme… erschrocken und aufgeregt…
» Marc? «
»Komm«, haucht Marc in Panik und zieht mich mit sich. Wir hasten über die Fahrbahn. Manus Rufen verfolgt uns. Wir rennen fast, rennen wie verschreckte Kinder, die glauben, ein Gespenst gesehen zu haben. Ich traue mich nicht, stehenzubleiben oder mich umzuschauen. Marc hält immer noch meine Hand umklammert. Fest, fast schmerzhaft.
Ich weiß nicht, wie lange wir gerannt sind. Als er endlich langsamer wird, habe ich keine Ahnung, wo wir gerade sind. Schwer atmend und vollkommen orientierungslos stehe ich neben Marc, der keuchend nach Luft ringt. Er zittert. Ängstlich mustere ich ihn. Er ist immer noch blass, doch der schnelle Lauf hat seine Wangen etwas gerötet. Und… ich glaube, er hat geweint.
Ich mache einen Schritt auf ihn zu, schlinge meine Arme um seinen Hals und drücke ihn an mich. Wenn ich nur wüsste, was ich sagen soll. Wie kann ich ihn beruhigen? Langsam legen sich auch seine Arme um meinen Körper. Ich spüre seine Hände auf meinem Rücken und sein Herz, das rasend und schreiend gegen meine Brust trommelt.
»Ich hab's doch gewusst«, haucht er mit schwacher Stimme gegen mein Haar.
»Was hast du gewusst?«
»Er ist… mit diesem Kerl…« Marcs Stimme wird immer schwächer. Ich löse mich aus der Umarmung und zwinge ihn, mir ins Gesicht zu schauen.
»Gar nichts ist da, hörst du?«, erwidere ich streng. »Wir haben beide vollkommen überreagiert. Das war dämlich. Wir hätten stehen bleiben und sie begrüßen sollen.«
»Was?« Marc sieht mich verständnislos an.
»Mensch, Marc, wahrscheinlich sind sie sich eben auf der Straße begegnet und haben ein paar höfliche Worte ausgetauscht. Mehr war da nicht. Tausendprozentig. Es ist nichts Außergewöhnliches, wenn sich zwei schwule Männer in einem Schwulenviertel treffen, oder? Kein großes Drama. Total unwichtig.«
Ich wünschte ich wäre selbst so überzeugt, wie ich gerade tue. Aber eines ist sicher: Unsere Flucht war wirklich ein bisschen überstürzt.
»Ich habe mich so erschrocken«, murmelt Marc verwirrt. »Manu zu sehen, war ja schon… Aber dann auch noch mit ihm …« Er presst die Hände auf das Gesicht und versucht, sich zu beruhigen.
»Deine Reaktion war verständlich«, meine ich und streichle ihm mitfühlend über den Rücken.
»Sie war peinlich.« Marc stöhnt gequält auf und verdreht die Augen. »Ich habe mich verhalten wie ein vierzehnjähriges Schulmädchen.« Wütend beißt er sich auf die Unterlippe.
»Es ist ja nichts passiert«, beschwichtige ich ihn sanft. Ich versuche es mit einem Lächeln. Marc nickt zwar, scheint aber immer noch nicht wirklich überzeugt zu sein.
»Ich will nach Hause«, murmelt er erschöpft und fährt sich mit beiden Händen durch die schwarzen Haare.
»Ja, das ist eine gute Idee«, stimme ich ihm seufzend zu.
43. Kapitel
Die
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