Chaosprinz Band 2
profitiert von den Stärken des anderen. Aber so eine Beziehung erfordert eben eine Menge Anstrengung. Es kommt ständig zu Diskussionen, zu Reibungen…« Er seufzt.
»Reibung ist doch gut. Im Physikunterricht habe ich gelernt, dass Reibung Wärme, also Energie, erzeugt und das ist doch positiv…« Ich lächle.
»Du musst die Energie nur zu nutzen wissen und richtig einsetzen.«
Wir schweigen. Ich denke an Alex. Und Marc denkt mit Sicherheit an Manu.
***
Wir genießen den milden Herbstabend. Es hat Gott sei Dank endlich mal aufgehört zu regnen. Nun können wir sogar noch die letzten Vögel singen hören. Sie scheinen sich genauso über die warme Luft zu freuen wie wir. Bald schon werden sie ihren Artgenossen folgen und sich ebenfalls auf den Weg nach Süden machen.
Kahl und nackt stehen die Bäume im fahlen Licht der Straßenlaternen. Ihre dürren Äste sehen wie knochige Finger aus. Sie tasten, greifen nach uns, können uns aber nicht berühren. Ihre Schatten erscheinen seltsam verzeert, schwarz liegen sie auf dem kühlen, grauen Asphalt.
Marc und ich gehen stumm nebeneinander her. Wir sind auf unserem Heimweg und haben uns spontan zu diesem kleinen Spaziergang entschieden. Es war ein schöner Abend. Mit Marc zusammen zu sein, hat wirklich gut getan. Ich habe ihn sehr vermisst. Alles von ihm. Seine nervigen Ratschläge, seine unbarmherzige Strenge, seine warme Nähe, sein Zynismus, seine Stimme, sein Scharfsinn, seine Intelligenz… einfach alles.
»Wie geht es nun weiter?«, frage ich ihn mit leiser Stimme.
»Ich habe gedacht, wir gehen einmal um den Block und dann zum Parkplatz«, antwortet Marc.
»Nein, ich meine im Leben… Also in deinem Leben und in meinem Leben.« Unruhig sehe ich ihn an.
Er presst die Lippen fest aufeinander, denkt nach. »Du musst mit Kim sprechen. Das Beste ist, wenn ihr euch trennt. Alles andere macht keinen Sinn.«
»Ja«, gebe ich traurig zu. »Meine erste Beziehung… Und ich habe es voll versaut…«
»Nein, Tobi, so darfst du das nicht sehen«, tadelt mich Marc streng. »Du hast dir wirklich Mühe gegeben, aber es hat eben etwas Essentielles gefehlt: die Liebe. Dein Herz war einfach noch nicht bereit für etwas Neues. Da waren noch die alten Gefühle, mit denen es beschäftigt war.«
»Wahrscheinlich hast du recht.« Mit den Füßen wirble ich das heruntergefallene Laub auf. Es raschelt und knistert. »Irgendwie habe ich Angst davor, mit Kim zu sprechen«, gebe ich zu. »Vielleicht schreibe ich ihm auch eine SMS… Nein, das ist scheiße. Kannst du nicht mit ihm reden? Du bist gut in so was, du könntest ihm das sicher ganz einfach erklären.«
»Spinner, da musst du alleine durch.« Er grinst mich an. »Sei stark, Tobi. Stark und selbstbewusst. Und nicht nur Kim gegenüber, auch Alex musst du in seine Schranken weisen.«
»Warum?«
»Er darf nicht denken, dass er mit dir alles machen kann. So lange er zweigleisig fährt, hat er bei dir keine Chance.« Marc nickt bestimmend mit dem Kopf.
»Das heißt?«, frage ich unsicher.
»Das heißt: Kein Knutschen, kein Fummeln und keinen Sex, bis er sich von seiner Freundin getrennt hat.«
Was? Scheiße!
»Ich weiß nicht… ob Alex das durchhält«, nuschle ich. Meine Wangen färben sich rot. Meine Ohren auch. Marc lacht. Er lacht mich aus.
»Du meinst wohl, du weißt nicht, ob du das durchhältst«, korrigiert er mich gut gelaunt. »Tja Tobi, da musst du jetzt durch. Veränderung-en brauchen Zeit, Arbeit und Engagement. Er soll doch begreifen, wie ernst dir das alles ist, oder?«
»Schon, aber…« Ich kann fast an nichts anderes als an Alex denken. Und wenn ich sein Gesicht vor mir sehe, dann ist da auch immer sein wunderschöner Körper… nackt… Diese verdammte Sehnsucht bringt mich noch um. Ich will ihn – ganz. Von den Haarspitzen bis zu den Zehen. Jede Zelle, jede Faser soll mir gehören.
Scheiße, ich weiß, Marc hat recht. Ich will nicht irgendein geheimer Liebhaber sein, mit dem er sich die Wünsche im Bett erfüllt, für die Anja eben ungeeignet ist. Er soll mein fester Freund sein. Ohne wenn und aber. Und vor allem ohne Anja und Kim.
»Okay«, murmle ich mit hängendem Kopf. »Ich bleibe standhaft.«
»Braver Junge«, lobt mich Marc frech und tätschelt meinen Kopf.
»Und du?« Ich mustere ihn herausfordernd. »Wirst du nun auch brav sein?«
»In welchem Zusammenhang?« Er stellt sich doof.
»Marc, bitte triff dich mit Manu, sprich mit ihm, hör ihm zu. Du liebst ihn doch so sehr, du vermisst
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