Chaosprinz Band 2
reagierte er wütend und beleidigt. Mom sagte immer wieder, sie würde sich wünschen, dass er aufhören würde, zu malen…«
Ich sehe das Bild über Markus' Schreibtisch vor mir: Liebe . Der kleine Alex und ein Eimer mit blauer Farbe…
»Im Endeffekt haben sie sich beide füreinander und für uns verbogen. Sie waren unglücklich. Und schließlich hat er uns verlassen und wir sind zu meinen Großeltern gezogen.«
Hm, den letzten Teil der Geschichte kenne ich aber etwas anders.
»Und danach?«, frage ich unsicher.
»Ich habe ihn nie wieder gesehen«, murmelt Alex erschöpft. »Er ist wohl sofort ins Ausland gezogen.«
»Hat er nie versucht, Kontakt mit euch aufzunehmen?«
»Nein.«
Wieder eine Unstimmigkeit. Ich habe Magenkrämpfe…
»War er ein guter Vater?«
Alex sieht mich überrascht an. »Was?«
»Na, war er lieb zu euch? Hat er euch in den Arm genommen? Hat er mit euch gespielt oder etwas vorgelesen?«
Er schweigt. Seine grauen Augen glänzen.
»Erinnerst du dich nicht mehr?«
Er zuckt mit den Schultern. »Ich glaube, er war schon ganz nett zu uns. Doch so wichtig können wir ihm ja nicht gewesen sein, wenn er einfach so abgehauen ist…«
Ich streichle ihm die blonden Strähnen aus der Stirn. »Alex, ich verstehe deine Gefühle total, wirklich. Aber du kennst nur einen Teil der Geschichte. Zwölf Jahre lang hast du nur eine einzige Version gehört. Vielleicht gibt es noch eine andere…«
Er mustert mich aufgebracht. »Was willst du damit sagen? Glaubst du, Mom hat uns angelogen?«
»Nein, das glaube ich nicht. Aber sie wird euch eben alles so erzählt haben, wie sie es empfunden hat, und deine Großeltern…«
»War ja klar, dass du jetzt wieder auf ihnen herumhackst…«, zischt Alex.
»Ich hacke nicht auf ihnen herum«, erwidere ich sofort. »Ich versuche, dir nur klarzumachen, dass es eventuell ein paar Fakten gibt, die du gar nicht kennst.«
»Du kannst meine Großeltern nicht leiden, das weiß ich, aber deswegen hast du noch lange nicht das Recht, sie als Lügner darzustellen.«
»Ich habe nie gesagt, dass sie Lügner sind, aber du kennst sie doch und ich kenne sie auch…«
»Natürlich, du und deine Menschenkenntnis«, meint Alex bissig. »Du hast meine Großeltern zweimal gesehen und kannst sie schon wunderbar einschätzen.« Er verdreht spöttisch die Augen. »Und was ist mit meinem Vater? Weißt du auch, was für ein Mensch er ist? Obwohl du ihn noch nie getroffen hast?«, fragt er böse. Mir wird schlecht.
»Nein«, flüstere ich leise. Alex schnaubt. »Oder doch…«
»Hä?« Er sieht mich etwas verwirrt an.
»Ich kenne ihn…« Ich werde blass. Sehr blass.
»Was?«
»Ich habe Markus getroffen.«
Alex starrt mich an. Sein Gesicht spiegelt abgrundtiefe Verwirrung wider. Seine weit geöffneten Augen bohren sich vollkommen hilflos in meine. Ich habe das Gefühl, mich sofort übergeben zu müssen. Mir ist kotzübel. Vorsichtig strecke ich meine zitternde Hand nach ihm aus.
»Alex, bitte…«
»Was?«, haucht er noch einmal.
»Ich habe deinen Vater durch einen puren Zufall getroffen.«
Ich beichte ihm alles. Die ganze unglückliche Geschichte.
»Er hat mir von euch erzählt. Er vermisst euch sehr…« Meine Stimme wird immer leiser, immer brüchiger.
Alex schüttelt den Kopf. »Das kann nicht wahr sein, oder?«
»Ich wollte mich raushalten.« Meine Ausrede klingt selbst in meinen eigenen Ohren hohl und gelogen.
»Wie lange geht das schon?«, will Alex wissen.
»Keine Ahnung… drei oder vier Wochen.« Ich zucke mit den Schultern.
»Du hast mich so lange verarscht?«, fragt er mit heiserer Stimme.
»Was? Nein, ich habe dich nicht verarscht! Ich wusste einfach nicht…«
»Meine Welt bricht auseinander und du bist der einzige Mensch, dem ich wirklich vertraue, von dem ich glaube, dass er immer ehrlich zu mir ist, und dann…« Er bricht ab.
Ich weine. »Ich wollte nicht…«, schluchze ich leise.
»Ich bin ein Idiot«, stöhnt Alex verzweifelt.
»Nein… Bitte, beruhige dich! Es tut mir so leid. Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen sollte…«
»Hör auf, spar dir das!« Er springt aus dem Bett.
»Alex, ich wollte dir helfen, ich wollte dich beschützen. Vielleicht habe ich es falsch gemacht, das ändert aber nichts an meinen Absichten.« Ängstlich versuche ich, seinen Arm zu berühren.
»Fass mich nicht an!«, zischt er wütend.
Heiße Tränen kullern mir die Wangen herunter. Er stürmt auf die Zimmertür zu.
»Wo gehst du hin?«, frage ich panisch.
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