Chaosprinz Band 2
geheiratet und eine neue Familie gegründet und du warst allein. Das hat dir doch nie gepasst.«
»Allein?«, kreischt sie. »Dein Sohn zählt wohl gar nicht, oder?«
Verwirrt dreht Pa den Kopf und sieht mich an. Es scheint fast so, als hätten beide meine Anwesenheit kurzzeitig vollkommen vergessen.
»So war das nicht gemeint«, stammelt er unsicher und schenkt mir einen entschuldigenden Blick.
»Das klang aber eben so«, stichelt Ma weiter. »Und wenn ich mir anschaue, was Ehemänner so anrichten können, dann bin ich ganz froh, dass ich auf einen verzichtet habe.« Sie mustert ihn herablassend.
»Du warst auch keine besonders angenehme Ehefrau«, widerspricht er ihr harsch. »Und es wundert mich nicht, dass es keinen Kerl gab, der es länger als ein paar Monate mit dir ausgehalten hat…«
»Was weißt du schon über mein Privatleben?«, kreischt Ma zornig.
»Hört auf! Hört auf, zu streiten!« Ich habe mit dem Fuß aufgestampft. Wie ein kleines Kind. Und genauso fühle ich mich gerade auch. Verwirrt, verletzt und verzweifelt wie ein Kind.
»Hier geht es nicht um euch.« Meine Stimme klingt brüchig. »Nicht um eure Beziehung. Die ist vorbei. Lange vorbei…« Ich zittere.
Sie starren mich beide an. Ich glaube, sie haben sich erschrocken. Gut so.
»Ich will nicht, dass alles kaputt geht…« Heiße Feuchtigkeit in meinen Augenwinkeln.
»Tobileinchen.« Ma kommt zu mir. Sie legt einen Arm um meine Schulter und drückt mich an sich. »Du magst keinen Streit und du willst, dass alle glücklich miteinander sind, das weiß ich. Du hast ein gutes Herz. Ein großes Herz. Und dafür liebe ich dich.« Sie lächelt mich warm an. »Du wolltest das Richtige tun und hast geschwiegen, um deinen Geschwistern Kummer zu ersparen. Aber das war ein Fehler.«
Ich senke betroffen den Blick.
»Mein kleiner Liebling«, murmelt Ma zärtlich. »Du hättest Bettina von der Affäre erzählen sollen.«
Tiefe Schuldgefühle bohren sich in mein Herz. »Matthias hat euch gesagt, dass ich…«, nuschle ich.
»Er sagte, du hättest Bescheid gewusst.« Ma nickt ernst.
»Und jetzt hasst mich Bettina?« Wieder diese heftige Übelkeit. Sie durchdringt meinen gesamten Körper, schleicht in alle Glieder.
»Nein, Tobileinchen«, meint Ma sanft. »Bettina hasst dich nicht.«
»Er wollte nur… Er wollte nicht, dass seine Geschwister dasselbe durchmachen müssen wie er…«, murmelt Pa leise.
Soll das ein Versuch sein, mich aus der gesamten Geschichte herauszuhalten? Ich bin ihm zwar dankbar dafür, aber im Grunde wird es nichts ändern. Ich stecke bis zum Hals mit drin und muss mit meiner Teilschuld leben.
»Tobi ist ein guter Junge.« Ma streichelt liebevoll mein Haar. »So habe ich ihn erzogen.«
Pa reagiert auf die neue Stichelei mit einem kalten Schnauben. Doch bevor sie wieder damit anfangen können, einander anzugiften, wird die Zimmertür geöffnet und Alex betritt den Raum.
Mein Herz bleibt stehen. Es hält an, vergisst zu pumpen, vergisst zu schlagen. Panisch sucht mein Blick seinen. Sieh mich an, bitte sieh mich an!
Er hört mein stummes Flehen nicht. Oder aber er ignoriert es gekonnt. Groß und stolz steht er vor uns. Sein Kopf ist erhoben, die Miene kühl und ernst. Ruhig und tief klingt seine Stimme, als er spricht.
»Können wir fahren?« Er sieht Ma an.
Sie nickt. »Ich habe das Nötigste zusammengepackt. Vielleicht sollten wir noch ein paar Spielsachen mitnehmen, damit die Kinder sich nicht langweilen.«
Alex nickt. »In einer halben Stunde am Auto«, sagt er und dreht sich um.
»Alex«, ruft Pa. Er klingt verzweifelt. »Können wir mal reden? Ich will versuchen, es dir zu erklären…«
Alex bleibt stehen. Er dreht den Kopf, schaut nach hinten und fixiert Pa mit seinen eiskalten, stahlgrauen Augen. Nur ein Blick. Kein einziges Wort. Aber wir haben alle verstanden.
Verzweifelt lässt sich Pa auf das kleine Bettchen von Timmy sinken und stützt den Kopf mit den Händen ab. Mit langsamen und gleichmäßigen Schritten verlässt Alex das Zimmer.
Ich halte es nicht mehr aus. Fast rennend folge ich ihm, hinaus auf den Flur und dann den langen Gang entlang.
»Alex«, krächze ich. »Bitte warte!«
Er bleibt stehen, dreht sich aber nicht zu mir um. Mit wabbligen Beinen komme ich näher. Keine Sekunde lang lasse ich ihn aus den Augen. Ich mustere seinen angespannten Körper, die harten Muskeln, die sich deutlich unter dem feinen Pullover abzeichnen.
Nun bin ich so nah, wenn ich meine Hand ausstrecken würde, dann
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