Chaosprinz Band 2
den Flur hinaus.
Ich folge ihr. Mit jedem Schritt wächst das hässliche, drückende und schmerzende Geschwür in meinem Bauch.
»Sei nett!«, flüstert Ma, ehe sie die Klinke der Wohnungstür ergreift. Schwungvoll öffnet sie die Tür. »Hi, komm rein.«
Unsere Trennung ist ja noch gar nicht so lange her, trotzdem habe ich das Gefühl, Kim schon seit Jahren nicht mehr gesehen zu haben. Gutaussehend und strahlend steht er vor uns. Die dunkelblonden, kurzen Haare sind wie immer gekonnt zerstrubbelt, die himmelblauen Augen glitzern und wenn er lacht, zeigt er seine strahlendweißen Zähne und lässt zwei süße Grübchen in seinen Wangen entstehen.
Er ist einer dieser Männer, denen man am liebsten am Strand begegnet. Die Badeshorts sitzen sehr tief auf den braungebrannten, schmalen Hüften und im Arm tragen sie ein Surfbrett mit sich herum… Oh ja…
»Hey, Tobi.« Er grinst mich an.
»Hm«, krächze ich und weiß nicht, wohin mit meinen verräterischen Blicken.
Kim packt mich an den Schultern und drückt mich an sich. Erschrocken japse ich nach Luft, als mein Gesicht seinen Hals berührt.
»Schön, dich mal wiederzusehen«, flüstert er ganz nah neben meinem Ohr.
»Ja, schön…« Leicht hysterisch klopfe ich ihm auf den Rücken und hoffe, dass er mich schnell wieder loslässt.
»Nun kommt doch rein.« Ma steht breit grinsend im Flur und winkt uns einladend näher. »Hier drinnen ist es doch viel gemütlicher als im Flur…«
Ich möchte schreien. Entschuldigend kichernd schäle ich mich aus seiner Umarmung und schließe die Wohnungstür. Laut schreien.
»Unser letztes Treffen ist schon eine Weile her, nicht wahr?«, meint Kim freundlich.
»Ja«, quieke ich.
Damals hast du mich einfach so stehen lassen, weil es dir nicht gepasst hat, dass ich dein Verhalten in unserer Beziehung kritisiert habe, du arroganter Bock!
»Und was hast du in der Zwischenzeit so gemacht?«, fragt er interessiert. Sofort entstehen in meinem Kopf Bilder von Alex und mir. Nackt. Im Bett. Ich unter ihm… auf ihm… Er über mir… hinter mir… in mir…
»Ich habe für die Schule gelernt. Hausaufgaben gemacht. Klausuren geschrieben. Referate vorbereitet.« Ich nicke hektisch und hoffe, durch diese schnelle Bewegung die erotischen Erinnerungen aus meinem versauten Hirn schütteln zu können.
»Er hat dich vermisst«, flötet Ma aus dem Hintergrund und wackelt vielsagend mit den Augenbrauen.
»Tatsächlich?« Kim grinst mich an.
»Ich weiß, ich bin schon volljährig, aber denkst du, dass ich trotzdem noch nach dem Jugendstrafgesetz verurteilt werde, wenn ich meine Mutter heute mit einem alten Turnschuh erschlage?«
Kim muss lachen und Ma schüttelt tadelnd den Kopf. »Gewalt ist keine Lösung, Krümel.«
»Ich weiß, mir ist aber gerade sehr danach«, zische ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.
Ma ignoriert meinen wütenden Blick und macht sich voller Eifer über die Kaffeemaschine her. »Na, wenigstens etwas, dass in diesem Haushalt zu funktionieren scheint«, murmelt sie.
Kim setzt sich auf einen der Barhocker und schaut sich interessiert in unserer chaotischen Wohnung um. »Wie lange lebst du schon hier?«
»Erst seit kurzem«, antworte ich.
»Was ist passiert? Hat dich dein Stiefbruder aus dem Haus geekelt?«
Ich kann Ma schnauben hören.
»Nein, Alex hat…«
Aus dem Flur dringen Geräusche. Die Wohnungstür wird aufgeschlossen. Pa ist wieder da. Dem Himmel sei Dank! Hastig springe ich auf und eile ihm entgegen. Er trägt zwei voll bepackte Einkaufstüten in den Armen und versucht, die Wohnungstür mit dem Fuß zuzustoßen.
»Ich habe den halben Laden aufgekauft. Fatma war ganz aus dem Häuschen.«
»Toll, super, klasse… Kannst du mich bitte erschießen?« Ich falte die Hände zu einer flehenden Geste und presse sie an meine Brust.
»Was?« Pa mustert mich verwirrt.
»Frag nicht, tu's einfach!«, jammere ich.
Er schüttelt den Kopf, drückt mir eine der Tüten in den Arm und geht an mir vorbei in Richtung Küche.
»Joachim«, begrüßt ihn Ma übertrieben fröhlich. »Schön, dass du wieder da bist, Schatz. Hast du mir was mitgebracht?«
Überrascht und ein bisschen panisch starrt Pa Ma an. Sie verteilt grinsend vier Kaffeetassen auf dem Küchentresen und reicht Kim die Milchflasche.
»Bin ich gestorben und in der Hölle gelandet?«, fragt Pa heiser.
»Noch nicht.« Ma geht auf ihn zu und nimmt ihm die Einkaufstüte ab. »Kommt aber noch, verlass dich darauf, mein Lieber.«
Sein Blick
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