Chaosprinz Band 2
Stephen King vorgelesen…«
»Sei doch nicht gleich beleidigt.« Ma sieht mich tadelnd an. »Ich weiß, dass du sehr gut mit den Kleinen umgehen kannst. Es ist dein Vater, um den wir uns Sorgen machen.«
»Wir?«
»Ja. Martha, Bettina und ich. Wir sind der Meinung, dass er ein paar Probleme haben wird.« Sie nickt mir vielsagend zu.
»Wie kommt ihr darauf? Er ist ihr Vater, er kennt sie seit ihrer Geburt, er war immer mit ihnen zusammen…«
»Aber nie allein«, unterbricht mich Ma entschieden. »Entweder Bettina, Martha oder eines der Au-pair-Mädchen war immer dabei.«
Ich weiß, dass sie recht haben, trotzdem macht mich das Misstrauen der Frauen wütend. Pa schafft das schon. Er ist ja kein Unmensch.
»Im Grunde wollen wir ihm nur helfen«, meint Ma locker und räumt die Lebensmittel in den, bis auf eine Schachtel mit chinesischen Nudeln, vollkommen leeren Kühlschrank.
»Wir kommen schon allein zurecht«, verteidige ich unseren Männerhaushalt.
»Ach ja?« Ma deutet auf die stinkenden Nudeln. »Man sieht's.« Sie schaut sich mit abfälligem Blick in der kahlen Wohnung um. »Wo ist dein Vater überhaupt?«
»Einkaufen.«
»Hm, hoffentlich vergisst er nicht, neben Putzmitteln und frischem Obst ein bisschen Behaglichkeit zu kaufen…«
Ich schmolle. Nun gut, ich habe mich zwar schon selbst das ein oder andere Mal über unsere spärliche Einrichtung beklagt, aber ich lebe schließlich hier, ich darf das.
Ma wirft ihren Mantel und die Pudelmütze über einen Stuhl und sieht sich erneut prüfend um.
»Fühlst du dich hier wohl?«
»Ja«, sage ich sofort. Es ist nicht die ganze Wahrheit, aber das brauche ich ihr ja nicht zu verraten.
»Musst du nicht ständig an Hamburg denken und daran, wie schön wir es dort hatten?« Sie sieht mich lächelnd an. In ihren hellen Augen funkelt ein warmes Feuer.
»Doch…«, gebe ich leise zu.
»Es war eine wirklich wundervolle Zeit, nicht wahr?« Sehnsucht liegt in ihrer Stimme. »Ich würde so gerne mal wieder hochfahren«, meint sie seufzend. »Mutti und die anderen besuchen. Hast du nicht auch große Lust, Tina und Mario wiederzusehen?«
Doch, die habe ich. Ich nicke eifrig. Ich vermisse meine alten Freunde. Telefonate und E-Mails können richtige Gespräche nicht ersetzen. Und egal, wie groß der Trubel hier in München auch sein mag, ich habe die beiden nicht vergessen.
»Dann können wir doch mal für ein Wochenende hochfahren«, schlägt Ma vor.
»Ja, gerne.« Ich nicke glücklich.
»Und weißt du, was total praktisch ist?« Sie grinst mich breit an.
»Was?« Mein Bauchgefühl warnt mich…
»Ich habe gerade eben jemand im Supermarkt getroffen, der nächste Woche nach Hamburg fahren will…« Sie strahlt nun förmlich. »Du kennst ihn auch – sehr gut sogar…«
Oh nein! Sie spricht doch nicht etwa von… das muss ein schlechter Scherz sein. Ein ganz, ganz schlechter.
»Nein, Ma!« Ich schüttle entschieden den Kopf. »Das ist doch nicht dein Ernst.«
»Wieso denn nicht?«, fragt sie unschuldig.
»Ma, Kim ist mein Ex!« Wütend packe ich die Stofftiere, die sie auf dem Küchentresen verteilt hat, und stopfe sie wieder zurück in den Karton.
»Ich weiß – und?«
»Ich habe mich von ihm getrennt, weil es absolut nicht funktioniert hat und ich ihn nicht mehr sehen wollte… zumindest vorerst nicht…«
»Hm, ist vorerst schon vorbei?«, fragt sie und lächelt mich unschuldig an. »Ich habe ihn beim Einkaufen getroffen. Wir haben uns unterhalten. Gut unterhalten. Er ist ja so charmant und höflich, freundlich… hilfsbereit… Er hat mich hergefahren und ich habe ihn auf einen Kaffee eingeladen – als Dankeschön, sozusagen. Er sucht nur noch nach einem Parkplatz.«
Sie schnappt sich eilig den Deckel einer Pizzaschachtel und hält ihn schützend wie ein Schild vor das Gesicht. Ich bekomme den Mund nicht zu vor Empörung.
»Du hast ihn hierher eingeladen? In meine Wohnung?«, frage ich atemlos.
»Ja.« Sie versteckt sich hinter dem Pappdeckel.
»Ohne mich vorher zu fragen?« Ich bin stocksauer. Richtig sauer. Gerade will ich stampfend und zeternd meine Wut zum Ausdruck bringen und dabei vielleicht auch noch ein paar der – unschuldigen – Stofftiere durch die Luft werfen, da klingelt es an der Wohnungstür.
»Ich hoffe für dich, dass das jetzt jemand von der GEZ oder den Zeugen Jehovas ist«, zische ich und sehe Ma wütend an.
»Reg dich doch nicht immer gleich so auf.« Sie verdreht die Augen, lässt die Pappschachtel fallen und eilt in
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