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Chaosprinz Band 2

Chaosprinz Band 2

Titel: Chaosprinz Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja 'libbyreads' Kober
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Ordnung?«
    »Ja, es ist alles in Ordnung«, sage ich schnell.
    Elenas Blick zeigt deutlich, dass sie nicht viel von meinen Qualitäten als Lügner hält. Sie macht ein besorgtes Gesicht und will gerade etwas sagen, als ein lautes Gebrüll hinter uns alle Aufmerksamkeit auf sich zieht.
    Dirk, Micha und ein paar andere Jungs aus unserer Klasse sind eben in den Raum und direkt auf Martin zugestürmt. Sie sind ziemlich betrunken, schwanken und grölen. Zu zweit packen sie Martins Arme. Sie halten ihn fest und zerren ihn lachend und feixend mit sich hinaus in den Flur. Der arme Martin versucht, sich loszureißen, aber Dirk und Micha sind um einiges stärker als er. Lena, Elena und ich folgen den Jungs so schnell wir können.
    »Was haben die vor?«, fragt Elena. Panik schwingt in ihrer Stimme mit. Sie klammert sich nervös an meinen Arm.
    »Karaoke…«, zischt Lena wütend.
    Sie hat recht. Die Jungs verschleppen Martin in einen kleineren Raum, in dem es weniger stickig und weniger voll ist. Die meisten der Anwesenden sind in unserem Jahrgang. Die Stimmung ist extrem ausgelassen. Lachend beobachtet man, wie Martin von seinen Mitschülern hereingeschleift wird.
    Als Tom uns richtige Karaoke versprochen hat, hat er nicht übertrieben. Die umfangreiche Anlage beinhaltet neben einem Abspielgerät, Lautsprechern und Mikros auch einen kleinen Bildschirm, auf dem der jeweilige Sänger seinen Text ablesen kann. Ein Beamer projiziert den Text an die Wand hinter den Mikros, damit das Publikum auch die Möglichkeit hat, lauthals mitzusingen.
    Momentan möchte das Publikum aber nicht singen. Nein, man wartet geschlossen auf den Auftritt von Martin Klimmer. Er soll der Erste sein, der sich zum Affen macht. Und blamieren wird er sich auf jeden Fall, da ist man sich einig.
    Während Elena, Lena und ich fieberhaft nach einer Lösung suchen, die es uns ermöglicht, Martin aus dieser peinlichen Situation zu befreien, hat sich Dirk eines der Mikros geschnappt.
    »Hallo, Leute!«, brüllt er. Man antwortet ihm gut gelaunt.
    »Es ist Zeit für Karaoke…« Gejohle.
    »Und wer soll den Anfang machen?« Gelächter.
    »Wen wollt ihr hören?« Noch mehr Gelächter.
    »Ja, ich habe es doch gewusst… Bühne frei für den Traum von Dieter Bohlen, den nächsten Mark Medlock, unseren Superstar: Martin!«
    Unsere Mitschüler klatschen lachend in die Hände. Martin steht vorne, lächelt verlegen und versucht, möglichst ruhig und entspannt auszusehen – was ihm brutal misslingt.
    »Tu was«, fordert mich Elena hysterisch auf.
    Ja klar, aber was denn?
    »Mar-tin, Mar-tin, Mar-tin, Mar-tin…«, rufen die anderen und grinsen ihn dabei feixend an. In der Masse fühlen sie sich stark.
    Wut steigt in mir auf. Diese Feiglinge, wie sehr ich sie doch verabscheue. Ich werfe den Leuten um mich herum vernichtende Blicke zu… Dann bemerke ich Alex. Er steht ganz hinten und beobachtet die Szene vollkommen ungerührt, so als ginge ihn das alles gar nichts an. Aufgebracht eile ich auf ihn zu.
    »Mach was!«, sage ich sehr laut.
    Verwirrt senkt er den Blick, sieht mich an. Er scheint einige Sekunden zu brauchen, ehe er begreift, wo wir gerade sind und was ich meine.
    »Du bist der Einzige, der diese Vorführung beenden kann. Sie hören auf dich, sie…«
    »Bambi«, wispert er leise und schaut mich ernst an. »Beruhige dich!«
    »Wie denn?«, frage ich wütend. »Das ist Psychoterror, Mobbing, das…«
    »Ich weiß, aber ich denke nicht, dass ich irgendetwas gegen diese Scheiße unternehmen kann…« Er sieht müde aus. Müde und antriebslos.
    »Wie meinst du das?«, frage ich unsicher. Er zuckt nur mit den Schultern.
    »Es hat sich vieles geändert…«
    »Glaubst du, die anderen sehen dich nicht mehr als ihren Anführer?«
    »Das weiß ich nicht… könnte schon sein. Aber eigentlich bin eher ich es, der sich nicht mehr sicher ist, ob ich noch der Mensch bin, der ich immer geglaubt habe, zu sein.«
    Verwirrt starre ich ihn an. Wie kann er mir hier und jetzt so etwas Wichtiges und Ernstes sagen? Hier, in diesem lauten, stickigen Keller.
    Er spricht von essentiellen Lebensfragen, redet von Identitätsängsten und philosophiert über den Sinn des Seins, während im Hintergrund ein betrunkener Typ irgendein klebriges, alkoholisches Getränk in den tiefen Ausschnitt eines Mädchens kippt.
    »Sollen wir gehen?«, frage ich leise.
    Er senkt eilig die Lider. »Nein, ich…«
    In diesem Moment werden die Martin, Martin! -Rufe noch lauter und Musik fängt an, zu spielen.

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