Chaosprinz Band 2
hängen.
»Oh, frag nicht«, sagt Maria, die den zweifelnden Ausdruck in meinem Gesicht richtig deutet. »Er wollte unbedingt mitkommen. Er hofft, Tom zu treffen…« Sie verdreht die Augen. Der Kleine wird knallrot und kratzt sich beschämt am Kopf. Er tut mir sehr leid.
»Hattest du denn schon die Gelegenheit, dich mit Tom zu unterhalten?«, frage ich freundlich.
»Nein«, wispert André unsicher. »Er ist gerade sehr beschäftigt…«
»André, ich bitte dich«, faucht Maria wütend. »Das ist doch bloß eine billige Ausrede. Tom will einfach nichts mehr mit dir zu tun haben. Der Typ ist ein Wichser, der nur auf Sex aus ist. Und den hat er ja bekommen.«
Andrés grüne Augen füllen sich sofort mit Tränen. Alina und Jana tätscheln behutsam den schmalen Rücken ihres Freundes.
»Kommt, wir holen uns etwas zu trinken«, schlägt Jana vor.
»Ja.« Alina nickt eifrig. »Und bei der Gelegenheit können wir auch nochmal mit dem süßen Barkeeper flirten.« Sie knufft André aufmunternd in die Seite. Maria zuckt nur die Schultern und folgt ihren Freunden.
Ich mache mich auf die Suche nach Lena, Martin und Elena. Sie sind nicht schwer zu finden. Lachend und fröhlich schwatzend sitzen sie auf einem alten Sofa und beobachten Sylvia, die in einer erschreckend hohen Tonlage Papa, don't preach singt und dabei ihre ausladenden Hüften kreisen lässt. Luca, der sich zu meinen Freunden gesellt hat, verzieht angeekelt das Gesicht.
»Mir wird schlecht«, meint er und beobachtet Sylvias peinlichen Körpereinsatz.
»Ich weiß nicht, was ich mir gerade mehr wünsche: Blind oder taub zu sein…« Lena sitzt auf Lucas Schoß und grinst mich gut gelaunt an.
»Hast du unseren Auftritt gar nicht gesehen?«, fragt Elena enttäuscht.
»Doch, natürlich«, beruhige ich sie schnell. »Es war der pure Wahnsinn. Woher kanntest du denn dieses Lied? War Roy Black auch in Peru ein Superstar?«
»Martha«, lacht Elena fröhlich. »Sie hört beim Kochen immer Schlager…«
Martin sitzt neben Elena und lässt sie keine Sekunde aus den Augen. Er lacht, wenn sie lacht, und grinst, wenn sie grinst. Hat er es endlich kapiert? Weiß er nun, was da für ein Schatz direkt vor seinen Füßen liegt, die ganze Zeit über gelegen hat?
Lena und Luca knutschen, Elena und Martin unterhalten sich leise und ich muss mir Dirk anschauen, der sich total betrunken das Mikro an die Lippen presst und The Final Countdown grölt.
Am Rand, einige Meter von uns entfernt, steht Alex. Er unterhält sich mit Jan. Er sieht mich, reagiert aber nicht wirklich. Mit kühlem Gesichtsausdruck wendet er sich wieder Jan zu.
Dieses Gefühl, vor verschlossenen Türen zu stehen, ist dermaßen frustrierend. Alles wiederholt sich. Ich kann das nicht mehr. Hastig stehe ich auf. Meine Freunde sind so miteinander beschäftigt, sie haben von meinem Stimmungswechsel nichts bemerkt. Mit langen Schritten durchquere ich den überfüllten Raum.
Ich spüre Alex' Blick, der mich streift, als ich an ihm vorbeistürme. Ich schaue nicht auf. Ich habe keine Lust, immer der zu sein, der ihm hinterherrennt. Von mir aus können wir die Rollen gerne mal tauschen.
»Tobi, wo willst du hin? Du musst doch noch singen?«, ruft mir Tom gut gelaunt entgegen, als ich ihn im Flur treffe.
»Ich möchte was trinken«, sage ich schlicht.
»Dann hol dir doch was.«
»Kannst du mir nicht sagen, wo die Getränke gelagert sind?«, frage ich ihn bittend. »Ich habe keine Lust, mich an der Bar anzustellen.«
Er mustert mich einige Sekunden lang kritisch, dann nickt er und deutet auf eine graue Stahltür am Ende des Ganges. »Aber pass auf, dass niemand davon Wind bekommt. Sonst klauen die noch den teuren Wein meines Vaters.«
So unauffällig wie möglich schiebe ich mich durch die Herumstehenden. Der Türgriff ist kalt. Er lässt sich nur sehr schwer nach unten drücken. Die Tür klemmt ein bisschen. Mit aller Kraft versuche ich, sie aufzuziehen.
»Lass mich dir helfen.« Eine Hand greift an mir vorbei und nach der Klinke. Ruckartig wird die Tür geöffnet. Verwundert schaue ich mich um. Jan steht hinter mir und lächelt.
»Oh, danke…«, stammle ich überrascht.
»Keine Lust auf Wartezeiten an der Bar?«
»Nein.«
»Geht mir genauso.« Er lässt mir den Vortritt.
In dem Kellerraum ist es sehr kühl und stockfinster. Es riecht nach schwerem Wein und dem Holz der Fässer, in denen der gärende Traubensaft gelagert wird. Mit einem Knall fällt die Stahltür ins Schloss. Und es wird dunkel. Ein
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