Chaosprinz Band 2
Alex. Wenn Tom ihm erzählt, was er eben gesehen hat… Mir fehlen die Worte.
»Du bist ein kleiner Lügner«, zischt Tom zornig. »Ein kleiner Lügner, der Alex immer nur hintergeht und ihn verletzt.«
»Das stimmt nicht«, widerspreche ich hart. »Du verdrehst die Tatsachen und das weißt du auch. Ich liebe Alex. Ich will ihm nicht wehtun. Ich habe ihm noch nie bewusst wehgetan. Und betrogen habe ich ihn schon dreimal nicht.«
»Du verheimlichst Dinge vor ihm und knutschst mit anderen Typen herum. Was für eine Art von Liebe soll das sein?«, schreit er zornig.
»Scheiße, Tom, was verstehst du schon von Liebe?« Auch ich bin nun wütend.
»Anscheinend etwas anderes als du«, blafft er.
»Liebe ist kein Bilderbuch, in dem alles immer bunt und lustig ist.«
»Was ist sie dann? Ein Porno mit immer wechselnden Darstellern?«, fragt er zynisch.
Ich raufe mir entnervt die Haare und sehne mich so wahnsinnig nach Noresund und zwölf Stunden Schlaf.
»Du warst noch nie verliebt«, sage ich ernst. »Du weißt nicht, wie es sich anfühlt, wenn man fast verrückt wird, weil man jemandem nah sein will. Wie es ist, wenn man verzweifelt versucht, in den Kopf und das Herz eines anderen zu blicken. Du hast keine Ahnung, wie anstrengend es ist, wenn man ständig am Kämpfen ist…«
Eine unsichtbare Kraft schnürt mir die Kehle zu.
»Und du weißt nicht, wie schön es sich anfühlt, von dem geliebten Menschen geküsst zu werden…«
Die Kraft greift erbarmungslos nach meinem Herzen, umklammert es und drückt zu.
»Ich liebe Alex«, flüstere ich. »Ich will keinen anderen. Ich habe keinen anderen. Das war ein Missverständnis. Ein saublödes Missverständnis. Ich…«
Tom starrt mich schweigend an. Seine dunklen Augen funkeln. Glaubt er mir?
Schließlich löst Tom seinen Blick von mir. Er sieht zu Boden. Eine Kellerassel flieht unter ein bauchiges Weinfass. Tom dreht sich zur Tür. Wortlos öffnet er sie. Und dann ist er weg. Und ich bin allein. Und verwirrt. Sehr verwirrt.
Seufzend setze ich mich auf eine Bierkiste, stütze den Kopf in die Hände und beobachte die Kellerassel, die wieder unter dem Fass hervorgekrabbelt ist und sich nun ein neues Versteck sucht. Wenn sie eines gefunden hat, soll sie mir Bescheid sagen. Ich möchte mich auch verkriechen.
59. Kapitel
Liebesrausch und Katerstimmung
Die Party hat ihren Höhepunkt erreicht und überschritten. Als ich das letzte Mal auf meine Armbanduhr geschaut habe, ist es kurz nach zwei gewesen. Die ersten Gäste sind gegangen.
Karl hat Maria und ihre Freundinnen um kurz nach zwölf Uhr abgeholt. Es hat Maria nicht wirklich gepasst, dass sie die Party so früh verlassen musste, aber schließlich ist sie erst sechzehn.
Alle, die nicht von ihrer Mama erwartet werden oder die sich mit zu viel Alkohol selbst abgeschossen haben, sind immer noch kräftig am Feiern. Luca und Lena sitzen knutschend in einer Ecke und bekommen von ihrer Umgebung so gut wie gar nichts mehr mit.
Elena und Martin unterhalten sich immer noch. Lange Blicke begleiten ihre intensiven Gespräche und hin und wieder schenken sie sich ein schüchternes, sanftes Lächeln. Mit einer Mischung aus Neid und liebevoller Freude habe ich diese vorsichtigen Annäherungsversuche beobachtet. Ich hoffe, sie werden den entscheidenden Schritt schaffen und finden ihr Glück.
Doch nicht nur Elena und Martin scheinen begriffen zu haben, was sie einander bedeuten. Wenige Meter von ihnen entfernt, sitzen André und Tom auf einer alten Couch. Woher Toms plötzliches Interesse an dem Kleinen kommt, weiß ich nicht. Vielleicht ist meine kleine Rede vor wenigen Stunden im Weinkeller der ausschlaggebende Faktor gewesen.
Sicher ist nur, dass er dem Lockenkopf nun förmlich an den Lippen hängt. Mit kritischem Blick lauscht er Andrés Worten und unterbricht ihn nur, um ihm ein paar kluge Zwischenfragen zu stellen.
Zu Beginn ist der Kleine noch ziemlich verunsichert gewesen. Er wusste nicht, womit er dieses Maß an Aufmerksamkeit verdient hat und warum Tom sich mit ihm unterhalten wollte, anstatt ihn sofort in sein Zimmer zu schleppen und dort nach allen Regeln der Kunst zu vernaschen. Die Unsicherheit ist aber schnell einer seligen Freude gewichen. André ist aufgetaut und hat angefangen zu reden.
Alex, der neben Tom gesessen hat und von dem Gespräch so gut wie alles mitbekommen hat, schien bereits nach wenigen Minuten mehr als nur genervt zu sein.
Er hat Toms Interesse an Andrés Lebensgeschichte nicht geteilt und so
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