Chaosprinz Band 2
hat er ein finsteres Gesicht gemacht und schweigend vor sich hin gestarrt.
Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass Tom Alex nichts von dem Zwischenfall im Weinkeller erzählt hat. In diesem Fall würde Alex wohl nicht so gelassen auf dieser Couch sitzen, sondern hätte sich schon längst auf die Suche nach mir gemacht, um mich vor den Augen der gesamten Partygesellschaft erst zu vierteilen und anschließend zu Mus zu zerstampfen.
Keine Ahnung, wie lange ich noch in diesem kalten Weinkeller gesessen habe. Vielleicht eine halbe Stunde oder so. Erst habe ich ein bisschen geheult, weil ich mir selbst ganz schrecklich leid getan habe. Dann trank ich zwei Flaschen Bier und fühlte mich so herrlich einsam. Die Welt hatte sich gegen mich verschworen und ich war der ärmste Mensch auf diesem Planeten.
Schließlich rappelte ich mich auf und verließ mein sicheres Versteck. Ich hatte unglaubliche Angst, Alex zu begegnen. Ein Blick in seine Augen würde ausreichen und mir sofort verraten, ob er von dem Kuss gehört hatte oder nicht.
Ich versteckte mich hinter einer Gruppe französischer Austauschschüler, die Tom zur Party eingeladen hat, weil er es so entzückend findet, wenn sie Hallo ohne H sagen. Mit den Franzosen als Schutzmauer wagte ich mich in die Nähe meiner Freunde und so konnte ich beobachten, wie Elena, Martin, Luca und Lena auf der Welle der Verliebten schwammen, André und Tom sich gegenseitig mit ihrem Frage-und-Antwort -Spiel unterhielten und Alex schlecht gelaunt Bierdeckel nach dem schlafenden Dirk warf. Einen Punkt, wenn der kleine Deckel Dirks Kopf trifft, zwei Punkte, wenn er direkt in den Mund fällt.
Alex stellte sich ziemlich gut an. Aber irgendwann wachte Dirk auf, verschluckte sich fast an einem Bierdeckel und fing wie irre an, zu husten. Micha holte Jan, sie schnappten sich Dirk und die drei verschwanden.
Jan hat sich weder von Tom noch von Alex verabschiedet. Und auch nicht von mir. Was aber nicht an ihm lag. Er hat mich die ganze Zeit über gesucht. Ich habe es bemerkt. Ein Grund mehr, um mich zu verstecken.
Die Franzosen gingen weiter und da mir nichts Besseres einfiel, folgte ich ihnen einfach. Nun sitze ich mitten unter ihnen, eine Bierflasche in der Hand, und lausche ihrem schnellen und lebhaften Gespräch.
Wir sind zu siebt. Rechts von mir sitzt ein großer Kerl, der immer sehr laut redet. Links von mir ein dicklicher Junge mit Brille und dichten, buschigen Augenbrauen. Auf dem Sofa uns gegenüber hocken drei Mädchen. Alle haben schwarze Haare, doch das ist auch schon ihre einzige Gemeinsamkeit.
Die Linke ist so zierlich, sie könnte ein Porzellanpüppchen sein. Die Mittlere hat einen riesengroßen Busen, der immer wackelt, wenn sie lacht – und sie lacht viel. Und die Rechte hat Lippen wie Angelina Jolie, eine Nase wie Barbara Streisand und schwarze Knopfaugen wie Gustav der Hamster – ich finde sie ein bisschen gruselig.
Auf dem einzigen Sessel in unserer Runde sitzt ein Junge, der scheinbar der Wortführer der Clique ist. Seine strahlend blauen Augen leuchten fröhlich und wenn er spricht, dann fuchtelt er mit den Händen wild in der Luft herum.
»Blabla blubliblubliblu«, sagt er gerade und grinst das Porzellanmädchen herausfordernd an. Er steht auf sie.
»Bloblobloblo blublabla«, antwortet sie ruhig und schiebt sich eine Salzstange in den Mund. »Blöblöbli!« Der lange Kerl neben mir lacht laut auf und deutet schadenfroh auf seinen hübschen Kumpel. Alle fangen an zu lachen. Ich auch. Total lustig.
Ich weiß nicht mehr, wie viel Bier ich heute Abend getrunken habe, aber es war definitiv eines zu viel. Müde und seltsam träge hocke ich zwischen den Franzosen und drücke die Flasche in meiner Hand an mich, als sei sie meine liebste Schmusepuppe. Leise seufzend starre ich in die Flamme der flackernden Kerze, die auf dem niedrigen Couchtisch steht.
Ich verstehe nichts von dem Gerede um mich herum. Seit fast sechs Jahren habe ich nun Französisch in der Schule und trotzdem kommt es mir so vor, als würde ich diese Sprache zum allerersten Mal hören. Der Dialekt und die Geschwindigkeit, in der die sechs sich unterhalten, erschwert die ganze Sache natürlich.
»Deine neuen Freunde?«
Ich bekomme eine heftige Gänsehaut, als warmer Atem meine Wange streift und die tiefe Stimme meine Ohren zum Klingen bringt.
»Ja«, nuschle ich undeutlich. Alex steht hinter dem Sofa. Er stützt sich mit beiden Armen auf der Rückenlehne ab und beugt seinen Oberkörper weit nach
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