Chaosprinz Band 2
schieben. Marc wirkt etwas enttäuscht. Scheinbar wäre ihm ein Notfall wirklich nicht unrecht gewesen.
»Wo waren wir stehen geblieben?« Ich mustere Alex unsicher.
Er seufzt, lehnt den Kopf an die Rückenlehne des Ledersofas und schließt die Augen. Ich betrachte ihn stumm.
»War Joachim wütend auf dich?«, fragt er.
»Nein.«
»War er wütend auf mich?«
»Nein.«
Alex öffnet langsam die Augen und starrt mit kühlem Blick einen verschwommenen Punkt in der Ferne an, den wohl nur er sehen kann. Ich rutsche näher an ihn heran, setze mich im Schneidersitz neben ihn und lehne meinen Kopf an seine Schulter.
»Er will nicht, dass wir zusammen sind«, flüstere ich. »Er meint, wir würden uns nicht gut tun.«
Alex lächelt. Freudlos.
»Aber ich glaube, er hat unrecht.« Ich sehe ihn an. »Hat er unrecht?«
Alex nickt.
»Wir bleiben zusammen, oder?«
Er nickt wieder.
Ich atme tief ein und genauso tief aus. Die Erleichterung breitet sich vom Zentrum meines Körpers aus, wandert und fließt durch alle Venen und nimmt die Schwere von meinen Gliedern.
»Bambi«, murmelt er schließlich.
»Ja?«
»Ich bereue nicht, was ich am Sonntag getan habe.«
Ich antworte nicht.
»Wenn ich noch einmal in der Situation wäre, würde ich genauso handeln.« Seine Stimme klingt fest und kühl.
»Du wolltest Pa schocken?«
»Ja.«
Das selige Glücksgefühl flacht ab und verschwindet so schnell, wie es gekommen ist.
»Als du mit mir geschlafen hast, ging es dir da nur darum, Pa eins auszuwischen?« Allein die Vorstellung schmerzt wahnsinnig.
»Nein«, sagt Alex ernst. »Nicht nur…«
»Also doch«, seufzend löse ich mich von ihm. Jetzt ist mir wirklich nach einem hysterischen Hustenanfall.
»Bambi!« Alex greift nach meiner Hand. Er umschlingt alle fünf Finger, schließt sie in seinen Händen ein und streichelt sie zärtlich. »Ja, ich wollte, dass Joachim von uns erfährt. Und ja, er sollte begreifen, wie dumm und engstirnig er ist, aber das war nicht der einzige Grund.«
Fest bohren sich seine grauen Augen in meine. Die tiefe Stimme klingt fast beschwörend.
»Ich habe keine Lust mehr auf Rücksichtnahme, ich will mich nicht mehr verstecken. Ich hasse es, nach Regeln von Leuten zu leben, die sich selbst nicht daran halten. Ich werde nicht mehr nach Ausreden suchen, um Menschen zu schützen, die selbst nur skrupellos und egoistisch sind. Ab jetzt bin ich auch egoistisch und nehme mir, was ich will. Und ich will dich.«
Er will mich. Ich starre ihn eine Weile sprachlos an.
Mein Handy vibriert.
Ich lächle. Himmel, wie sehr mein Herz auf einmal pocht.
Mein Handy vibriert immer noch.
Mir ist schon wieder schwindelig. Verlegen senke ich den Blick. Ich betrachte unsere ineinander verschlungenen Hände. Er hält mich fest. Ich spüre seinen warmen Atem auf meinem Gesicht. Seine Nase streicht über meine Wangen, fährt die Konturen der Augenbrauen nach. Ich schließe aufgeregt die Lider.
Und immer noch vibriert mein Handy.
»Scheiße.« Fluchend springe ich auf.
Alex weicht erschrocken zurück und starrt mich verwirrt an. »Was ist los?«, fragt er entsetzt.
»Mein Handy… ein Notfall…«
Ich eile aus dem Wohnzimmer. Super, Marc, Gratulation zum perfekten Timing.
Hektisch atmend klopfe ich an meine Zimmertür. Dann trete ich ein. Marc steht vor meinem Kleiderschrank. Er hat sämtliche Klamotten herausgeräumt und auf dem Bett verteilt. Manu sitzt daneben und sieht ziemlich frustriert aus.
»Was?« Ich betrachte fassungslos den Kleiderberg auf Noresund.
»In deinem Schrank herrschte das pure Chaos«, tadelt mich Marc. »Wenn du nicht Ordnung hältst, dann wird alles zerknittern.« Sorgfältig faltet er einen Pullover zusammen.
Manu wirft mir einen Lass-es,-diskutieren-bringt-nichts! -Blick zu.
»Gibt es einen Grund, aus dem du gekommen bist?«, fragt Marc betont desinteressiert.
»Nein«, blaffe ich.
»Wirklich nicht?« Marc sieht mir sehr eindringlich an. »Keinen Notfall oder so?«
Ich beiße die Zähne aufeinander. »Na gut…«, knurre ich. »Du musst unbedingt in die Küche kommen: Die Suppe macht ganz komische Geräusche. Sie knallt immer wieder, blubbert und hat eine grellgrüne Farbe angenommen. Außerdem riecht sie nach Kuhmist.«
»Ich komme sofort«, meint Marc, lässt meinen Pulli fallen und stürmt aus dem Zimmer. Beim Vorbeigehen bekommt er meinen linken Oberarm zu fassen, an dem er mich hinter sich herzieht.
»Musst du eigentlich immer übertreiben?«, knurrt Marc.
»Ich bin
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