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Chaosprinz Band 2

Chaosprinz Band 2

Titel: Chaosprinz Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja 'libbyreads' Kober
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hol sie raus!«, fordert sie mich auf. »Was ist da drin? Geheime Briefe von seiner Geliebten?«
    »Nein.« Ich deute auf den Schriftzug.
    »Oh.« Sie macht große Augen.
    Zögernd ziehe ich den Karton aus seinem Versteck. Er ist sehr schwer. Ich weiß, man darf nicht in den privaten Sachen von anderen herumkramen, aber… auf dem Ding steht mein Name, verdammt noch mal!
    Ma reißt eilig den Deckel beiseite und steckt ihre Hand in die Kiste.
    »Ich habe was«, ruft sie.
    »Was denn?« Ich beiße mir aufgeregt auf die Unterlippe.
    Sie holt etwas hervor, dass so aussieht, wie eine hart gewordene und bereits leicht gräulich angelaufene Blutwurst.
    »Was ist das?«, frage ich angewidert und rutsche einige Zentimeter nach hinten.
    »Walumbubi«, sagt Ma und starrt das Ding in ihrer Hand an.
    »Geht es dir nicht gut, Ma? Soll ich dir ein Glas Wasser holen?« Ich streichle ihr besorgt über den Rücken.
    »Quatsch!«, faucht Ma. »Das hier ist Walumbubi. Er ist aus Knetmasse und ein Produkt deiner Fantasie.« Sie wirft das komische Ding in meine Richtung. Ich fange es und betrachte es Stirn runzelnd. Tatsächlich. Knetmasse.
    »Wir waren damals häufig im Zoo und du hast danach immer die Tiere gemalt, gebastelt und geknetet.«
    »Oh«, langsam verstehe ich. »Dann soll das wohl ein Nilpferd sein?«
    »Ein Nilpferd?« Ma entreißt mir das Gebilde. »Nein, das ist ein Löwe – sieht man doch – Grrrahh!« Sie brüllt ein bisschen löwenlike und wackelt mit Walumbubi vor meiner Nase herum. Ich muss lachen.
    »Und warum der doofe Name?«
    »Woher soll ich denn das wissen, du hast das Vieh so getauft.« Ungerührt lässt sie den Löwen wieder in die Kiste fallen.
    Ich habe dieses Ding einmal gebastelt und Pa geschenkt. Er hat es aufgehoben. Über fünfzehn Jahre lang.
    »Oh, schau, wie süß!« Ma quietscht begeistert und zeigt mir ein paar verstaubte Fotos. Ich bin auf jedem von ihnen zu sehen. Als Baby, wenige Wochen alt. Als Kleinkind, beim Krabbeln. Als Kindergartenkind, mit einem überdimensionalen Teddybären im Arm.
    Pa hält mich in den Armen. Er deutet mit dem Finger auf den Fotografen und flüstert mir was ins Ohr. Ich winke. Wir stehen am Hafen. Ich sitze auf einem Brückengeländer. Die knallig roten Gummistiefelchen baumeln frei in der Luft. Pa hält mich fest, drückt mich an seine Brust. Der raue Nordwind zerzaust unsere dunklen Haare.
    Wie ähnlich wir uns damals sahen. Das Haar, dunkel, lang und immer etwas wirr. Die Augen, groß, rund und schokobraun. Das Lächeln. Die Kopfform. Stirn. Nase.
    »Sind wir uns immer noch so ähnlich?«, frage ich Ma leise. »Ich meine, vom Aussehen?«
    Ma zuckt mit den Schultern. »Man sieht, dass ihr Vater und Sohn seid.«
    Ein Foto zeigt Pa im Krankenhaus. Kurz nach meiner Entbindung. Ich kenne die Krankenhausbilder schon. Ma hatte sehr viele. Ein ganzes Album voll. Ich kenne Fotos von jeder einzelnen Hebamme, jedem Besucher und jedem Arzt, die an meiner Geburt oder unmittelbar danach beteiligt gewesen waren.
    Doch von Pa fehlte jede Spur. Ma hat die Bilder auf denen er zu sehen war, entsorgt oder zerschnitten. Dieses Foto ist das erste, das ihn an diesem Tag zeigt. Und es berührt mich sehr.
    Pa sitzt auf einem Sessel im Krankenzimmer und hält einen dicken Haufen Handtücher und Decken im Arm. Irgendwo zwischen den Tüchern, ganz winzig und kaum erkennbar, lugt ein runder, knallroter, kleiner Kopf hervor. Mit geschlossenen Augen, feuchten Haaren und unheimlich runzelig liege ich in seinem Arm.
    Pa schaut mich an, als wäre ich der Stein der Weisen, die britischen Kronjuwelen und die Gebeine des Herrn Jesu Christi in einem. Er betrachtet mich wie einen wunderschönen, unbezahlbaren Schatz. Es schien ihn nicht zu stören, dass ich so rot und runzelig war.
    »Hui, ich habe noch mehr gefunden«, ruft Ma auf einmal.
    In meinem Hals sitzt ein fetter Kloß. Hastig lege ich das Foto beiseite. Mir ist ein bisschen komisch und ich würde gerne allein sein.
    »Pornos!«, kreischt Ma und holt eine schwarze Videokassette aus der Kiste. Ich nehme sie ihr aus der Hand.
    »Das sind keine Pornos«, sage ich und muss schmunzeln. »Da steht Tobi Geburtstag drauf…«
    »Eine perverse Art, seine Pornos zu tarnen – komm, wir sehen sie uns an!«
    Ma springt auf und eilt mit dem Video in der Hand hinaus und ins Wohnzimmer. Mein Gefühl sagt mir, wir sollten aufhören in Pas Privatsachen herumzustöbern, aber erstens bin ich wahnsinnig neugierig und zweitens muss ich doch auf Ma aufpassen,

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