Chaosprinz Band 2
Hirn?«
»Du hast eben einen kleinen Schädel, da passt nicht viel rein«, zieht er mich grinsend auf und streichelt mir über den Kopf.
»Ich habe kein… Und ich bin auch nicht offensichtlich«, fauche ich wütend. »Manchmal kann ich auch undurchschaubar sein!«
Alex und Tom lachen sich schlapp. Ich finde das nicht witzig. Schmollend schiebe ich Alex beiseite, als er mir einen Kuss auf die Wange geben will. Er lässt sich nicht beirren und zieht mich an sich. Ich kann jedes Detail seines warmen, nackten Körpers an meiner Rückseite spüren. Mein Kopf wird rot und ich hoffe, dass Tom nichts bemerkt hat. Doch der scheint sich eh wieder auf seine Fragen zu konzentrieren.
»Also ist es nicht schlimm, wenn man nicht immer weiß, was der andere gerade denkt?«
»Wenn du jemanden sehr magst und ihn ein bisschen besser kennenlernst, dann wirst du automatisch anfangen, ihn etwas besser zu verstehen. Die Zeit ist dabei der wichtigste Faktor«, meint Alex ruhig.
»Okay…« Tom nickt mit dem Kopf. Aber auch diese Antwort scheint ihn nicht wirklich glücklich zu stimmen.
»Tom«, sage ich leise. »Liebe ist nichts, was man lernen kann. Liebe ist ein Gefühl und es kommt, wenn es kommen will. Irgendwann ist sie dann da und haut dich einfach um. Und dann brauchst du keine Fragen mehr zu stellen, dann weißt du es einfach…«
Er verzieht seufzend das Gesicht.
»Und in einer Beziehung gibt es viele wichtige Dinge, aber im Vordergrund steht, dass man es mag, miteinander Zeit zu verbringen. Einfach zusammen zu sein. Man muss sich nur sehen, berühren und zusammen sein. Für mich käme zum Beispiel niemals eine Fernbeziehung in Frage – der räumliche Abstand würde mich umbringen. Und natürlich muss man in einer Beziehung dasselbe wollen.«
Ich lächle. Tom lächelt zurück – ziemlich schwach.
»Okay«, sagt er wieder. »Vielen Dank, ihr habt mir sehr geholfen. Ich gehe dann mal wieder, damit ihr ihn Ruhe ficken könnt.«
»Tom…«, warnt ihn Alex.
»Genieß die Zeit mit André«, meine ich, als er die Tür hinter sich zuziehen will. »Entspann dich und schau einfach, was die Zukunft noch so alles mit euch vorhat.«
Er nickt und lächelt. »Danke!«
Die Tür schließt sich und wir sind wieder allein.
Alex küsst ganz kurz mein Ohr. »Als du gesagt hast, dass Fernbeziehungen für dich niemals in Frage kommen – war das dein Ernst?«
Ich drehe mich um und suche in der Dunkelheit nach seinen Augen. »Warum willst du das wissen?«
»Hm? Ach, nur so…« Er beugt sich zu mir herunter und küsst mich fest. Seine Lippen bewegen sich so sinnlich auf meinen, dass mir wahnsinnig warm wird.
Ich lasse mich von ihm auf den Rücken rollen. Keuchend registriere ich sein Gewicht auf meinem Körper. Ich spüre seine Erregung, die gegen meine drückt… an ihr reibt… Gierig komme ich seiner feuchten Zunge entgegen, die sich grob in meinen Mund schiebt. Ja, küss mich weiter… Küss mich immer weiter…
Und er tut es.
Die ganze Nacht.
62. Kapitel
Hello and Goodbye
Gestern Nacht hat es das erste Mal geschneit. Ist aber nicht liegen geblieben. Aber seinen Geruch hat er zurückgelassen. Der Geruch des Schnees.
Ich friere mir die Zehen ab. Drei sind schon tot, sieben kämpfen noch. Ich bin völlig erschöpft. Der Schulalltag kostet uns gerade enorm viel Kraft und Selbstbeherrschung. Wir sind das Gesprächsthema des gesamten Jahrgangs. Die Botschaft hat eingeschlagen wie eine mittelgroße Atombombe: Alexander Ziegler ist schwul und mit seinem leicht skurrilen Stiefbruder zusammen.
Alex gibt sich die größte Mühe, dem Gerede so wenig Aufmerksamkeit wie nur möglich zu schenken. Doch er leugnet nichts. Ein paar Mal ist er direkt auf die Gerüchte angesprochen worden und jedes Mal hat er genickt und zugegeben, dass sie wahr sind. Ich bewundere seine Stärke. Umso mehr, da ich weiß, dass es in seinem Inneren vollkommen anders aussieht.
Viele Leute geben mir die Schuld an Alex' Trennung von Anja und seinem neuen Lebenswandel. Melli zum Beispiel. Sie hasst mich mit ganzer Leidenschaft. Nun, wahrscheinlich gibt es dafür noch mehr Gründe als nur ihre Sympathie für Anja.
Jan und sie sind getrennt. Auch ein Skandal, der aber nicht wirklich an Alex und mich herankommt. Die Gründe für das Aus dieser fast sechsjährigen Beziehung sind nicht öffentlich bekannt gemacht worden. Macht ja nichts, wir sind auch so alle bestens informiert. In unserer Klassenstufe ahnt man, dass auch Jan schwul ist und ich auch in diesem Fall
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