Chaosprinz Band 2
etwa vier Wochen rief Alex bei Bettina an. Maria und er wollten nach Hause kommen. Sie wollten zurück.
Wir hatten schon bei unserem Besuch bemerkt, dass die beiden nicht unbedingt nur glücklich in New York waren. Maria hatte schreckliches Heimweh. Sie vermisste ihre Freunde und ihre Mutter. Das ein oder andere Mal fing sie während eines Telefonats mit Bettina an zu weinen.
Auch Alex hatte Heimweh, er zeigte es nur nicht so deutlich. Aber ich konnte die Sehnsucht aus seiner Stimme heraushören, wenn wir miteinander sprachen.
Und jetzt kommt er zu mir zurück.
»Wieso können wir eigentlich nicht heute Abend feiern?« Tom stößt mir seinen Ellenbogen in die Seite.
»Hab ich dir doch schon dreimal erklärt«, stöhne ich. »Unsere Eltern haben ein großes Welcome back -Abendessen organisiert. Familie geht vor.«
Tom schnaubt. »Und was ist mit besten Freunden?«
»Beste Freunde sind auch wichtig. Sie kommen dann an vierter Stelle. Hinter Haustieren und Stoffbärchen.«
»Pfff«, macht Tom und verschränkt die Arme vor der Brust. »Alex hat mich sicher viel mehr vermisst als dich.«
Das glaube ich zwar nicht, doch verzichte ich darauf, zu widersprechen. Eine Diskussion mit Tom ist prinzipiell eher Zeitverschwendung.
»Freu dich doch auf morgen«, meine ich versöhnlich. »Das wird bestimmt lustig. Ein kleiner Kreis von guten Freunden.«
»Hm… ja…« Tom scheint die Vorstellung, sich hinten anstellen zu müssen, immer noch nicht zu gefallen. Aber darauf kann und will ich keine Rücksicht nehmen.
»Tobi, Tobi!«
Ich richte mich auf. Suchend recke ich den Hals und schaue mich um. Dann entdecke ich Timmy. Er zerrt an Pas Hand und winkt mir aufgeregt. Pa hat große Mühe, den Sechsjährigen zu bändigen und ihn davon abzuhalten, den Leuten zwischen die Beine zu rennen.
Bettina, Emma, Timmy und Pa kommen auf uns zu. Alle vier lächeln und sehen sehr fröhlich aus. Ich stehe auf. Timmy reißt sich von Pas Hand los und hüpft auf mich zu. Ich bücke mich und schließe ihn lachend in die Arme. Der Kleine klammert sich an mich und ich verliere beinahe das Gleichgewicht, als Emma sich ihm anschließt.
»Hey, ihr zwei!« Bettina sieht ihre Zwillinge streng an. »Lasst euren Bruder am Leben!«
Die Kleinen kichern fröhlich und erlauben mir, mich wieder aufzurichten. Meine Hände lassen sie aber nicht los. Bettina küsst meine Wange und ordnet in einer automatischen Geste mein Haar.
»Braucht ihr noch irgendetwas? Für die Party morgen? Soll Martha was backen? Oder einen Salat machen?«
»Nein«, erwidere ich. »Ich habe alles im Griff, danke.«
»Vielleicht gibt es wieder Rumtorte«, meint Tom ernst.
»Was? Das schreit ja förmlich nach Notarzt und Alkoholvergiftung.« Pa grinst mich provozierend an.
»So schlimm war es nicht«, fauche ich beleidigt. Ja, ja, Hauptsache, die haben was zu lachen.
»Falls du doch noch irgendetwas brauchst, melde dich einfach.« Bettina kämmt mir die langen Strähnen hinters Ohr. Ich nicke und verspreche ihr, Bescheid zu sagen, wenn die Küche brennt oder wir vor lauter Hunger anfangen, den Esstisch anzuknabbern.
Die Zwillinge sind aufgeregt und gut gelaunt. Sie hüpfen wild auf und ab und zerren an meinen Armen. Ich lasse es zu, erlaube ihnen, mit mir Tauziehen zu spielen. Ihre strahlenden Gesichter sind einfach zu süß und ihre unverstellte, offene Freude ist ansteckend.
Wir machen uns auf den Weg zum Bahngleis. Der ICE aus Frankfurt soll in zehn Minuten ankommen. Tom unterhält sich scherzend mit Pa, Bettina lächelt verträumt vor sich hin, die Zwillinge quasseln laut und ungestüm.
Ich bekomme von all dem rein gar nichts mit, weil mein Herz auf einmal wie verrückt zu schlagen anfängt. Es pocht dröhnend gegen meinen Brustkorb. Die harten Schläge lassen meinen gesamten Körper vibrieren. Es ist heiß. Im Vergleich zu der Temperatur meines Blutes ist der schwüle Hochsommer ein windiger Novembertag.
Wartend stehen wir am Gleis. Unsere Augen sind starr auf die blanken Schienen gerichtet. Die Anzeigetafel kündigt den Zug aus Frankfurt an. Ich beteilige mich nicht an den Gesprächen. Mein Hals ist so trocken. Nervös fahre ich mir mit der Zungenspitze über die Lippen. Tom steht neben mir. Auch er starrt stumm in die Richtung, aus der der Zug gleich kommen wird.
»Wie sehe ich aus?«, frage ich ihn leise.
»Nicht übel, aber neben mir wirkst du natürlich wie ein kleines, graues Mäuschen«, antwortet er zufrieden.
»Blödmann, ich meine das ernst.«
»Ich
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