Chaosprinz Band 2
Wand würden die Gesichter von Alex und Maria erscheinen.
»Wie lange ist es her, dass du sie das letzte Mal gesehen hast?«, traue ich mich, ihn aus seinen Erinnerungen zu holen.
Er dreht den Kopf und sieht mich an. »Du weißt wirklich gar nichts, oder?«, stellt er nun doch etwas überrascht fest. Markus seufzt, trinkt einen Schluck Wasser und lässt sich mit der Antwort viel Zeit. Er versucht wohl, seine Gedanken zu ordnen. »Wenn das so ist, dann fangen wir am besten ganz am Anfang an«, meint er schließlich.
Ich nicke hastig. Eine gute Idee.
»Bettina und ich gingen zusammen zur Schule.« Markus lehnt sich in seinem Stuhl zurück. »Ihre Eltern waren sehr reich. Ich glaube, sie sind es heute immer noch.«
Ich nicke grimmig.
»Die Familie Pohlmann war sehr wichtig. Bettinas Vater spendete immer viel Geld an irgendwelche Krankenhäuser oder Kindergärten, er hatte einige einflussreiche Freunde im Landtag und Stadtrat und seine Frau gab fast jedes Wochenende eine sehr schicke Party in ihrem riesigen Haus. Bettina ist ihr einziges Kind. Sie war ihr Vorzeigepüppchen. Sie musste immer perfekt sein. Perfekt gekleidet, perfekt in der Schule, perfekt im Umgang mit den Freunden ihrer Eltern…« Er seufzt wieder.
»Die Pohlmanns hatten große Pläne mit ihr. Abitur, Studium, Karriere. Natürlich nur so lange, bis sie den perfekten Ehemann heiraten und eine eigene Familie gründen würde. Doch es kam alles anders. Sie traf mich. Ich hatte nicht vor, Banker oder Manager zu werden, und in die Politik wollte ich auch nicht. Ich träumte von einem Studium an der Kunsthochschule.« Er lächelt traurig.
»Als wir sechzehn Jahre alt waren, fingen wir an, miteinander auszugehen. Ihre Eltern waren alles andere als begeistert. Aus diesem Grund trafen wir uns im Geheimen. Es war eine schöne Zeit. Wir waren extrem jung und sehr verliebt. Bettina war das hübscheste Mädchen, das ich jemals gesehen hatte, und ich der glücklichste, dumme Junge dieser Welt. Wir konnten unsere Beziehung natürlich nicht ewig geheim halten. Bettinas Mutter stöberte in ihren Sachen und fand ein Bild, das ich gemalt hatte. Ein Porträt von Bettina, nackt. Es war eine Katastrophe. Wir durften uns nicht wiedersehen.«
Ich kann mir ein Aufseufzen nicht verkneifen.
»Ich glaube, wir waren beide siebzehn und überwältigt von unseren naiven, romantischen Gefühlen. Die ganze Welt hatte sich gegen uns verschworen, alle wollten unsere Liebe entzweien, wir beide gegen den Rest der Welt…« Er lacht leise und freudlos. »Jung zu sein ist so schön!«
Ich erwidere sein Lächeln.
»Ich habe alles getan, um sie wiederzusehen. Ich bin die Regenrinne zu ihrem Fenster hochgeklettert, habe mich stundenlang in Büschen vor dem Haus versteckt und darauf gewartet, dass ihre Eltern weggehen, oder ich bin nachts durch ein Kellerfenster eingebrochen.« Er schüttelt leicht den Kopf und muss wieder grinsen. »Dann geschah etwas, dass wir nicht geplant hatten: Bettina wurde schwanger.«
Markus macht eine Pause, um die Bedeutung seines letzten Satzes hervorzuheben.
»Wir mussten es ihren Eltern natürlich sagen. Es war schrecklich. Eine Schande. In ihren Augen hatte Bettina ihre Zukunft zerstört und den Ruf der Familie in den Dreck gezogen. Sie wollten, dass Bettina zu irgendwelchen entfernten Verwandten fuhr, dort das Baby bekam und dann wieder in München weiterlebte, als wäre nichts geschehen. Was sie ganz genau geplant hatten, weiß ich nicht mehr. Ich habe auch keine Ahnung, ob sie das Baby weggeben oder behalten wollten, es war mir auch egal. Ich ließ das alles nicht zu. In einer Nacht- und Nebelaktion sind wir schließlich abgehauen. Zwei Teenager ohne Geld und ohne Ausbildung, dafür aber bald mit einem kleinen Kind…«
Mit aufgeregt schlagendem Herzen lausche ich Markus' Erzählungen.
»Ich wurde in diesem Sommer achtzehn und fing an, auf einem Bau zu arbeiten. Wir lebten in einer winzigen Einzimmerwohnung in einer echt miesen Gegend, aber irgendwie waren wir so glücklich wie noch nie zuvor. Ihre Eltern wollten sie immer wieder zurückholen, doch sie haben es nicht geschafft. Nichts konnte uns trennen, wir fühlten uns so stark und frei. Und dann kam Alex auf die Welt und alles war perfekt.« Markus strahlt.
»Als Bettina einige Monate später ebenfalls achtzehn wurde, heirateten wir sofort und von da an waren wir eine richtige Familie. Und mehr brauchten wir nicht, um glücklich zu sein. Zumindest dachte ich das damals…« Nun wirkt er auf
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