Chaosprinz Band 2
konnte und sehr wütend und traurig darüber gewesen war. Sie dachte, ich wäre abgehauen.
Ich bekam keine Gelegenheit, ihr alles zu erklären. Jedes Mal, wenn ich anrief, ließ sie sich verleugnen und ihr Vater hatte mir verboten, sie jemals wiederzusehen. Ich habe alles versucht, aber vergeblich. Bettina reichte die Scheidung ein. Sie bekam natürlich das Sorgerecht für die Kinder, schließlich lebte sie bei ihren Eltern, ich hingegen wohnte bei Freunden, hatte kein Geld und keinen richtigen Job.
Das Besuchsrecht, das mir zugesprochen wurde, kam gar nicht richtig zum Einsatz. Immer, wenn ich die Kinder sehen wollte, wurden die Treffen mit irgendwelchen dummen Ausreden abgesagt. Die Kleinen seien krank oder sie wären auf einen Kindergeburtstag eingeladen und so weiter… Ich spielte mit dem Gedanken, mir einen Anwalt zu nehmen und zu klagen, aber ich hatte ja kein Geld.«
Markus wirkt sehr hilflos, wie er da auf seinem Stuhl sitzt und betreten zu Boden schaut. Wie ein Vierundzwanzigjähriger, der über Nacht Frau, Kinder und sein Zuhause verloren hat und nicht weiß, wie er alles wieder zurückbekommen kann.
»Ich habe es immer wieder versucht, aber ohne Erfolg. Schließlich war ich so müde und verzweifelt, dass ich München einfach verlassen musste. Ich bin ein bisschen durch Europa gezogen. Brüssel, Straßburg, Venedig, Athen… Dann, vor fünf Jahren, habe ich meine sieben Sachen gepackt und bin in die Staaten ausgewandert. In New York ging es mir gut. Die Galerie war ein Traum und ich verdiente eine Menge Geld. Das meiste habe ich gespart, um hier in München eine eigene, kleine Galerie zu eröffnen, und ja… hm, hier bin ich.« Er breitet etwas kraftlos die Arme aus und deutet auf die kalten Wände.
»Meine eigene kleine Galerie, so wie ich es mir immer gewünscht habe.« Er lächelt und das erste Mal an diesem heutigen Abend sieht er dabei glücklich aus.
»Und deine Familie?«, frage ich leise.
»Was meinst du?«
»Bist du hierher gezogen, um sie wieder zu sehen?« Ich weiß nicht, welche Antwort ich bevorzugen würde. Wenn er Nein sagt, dann ist er kaltherzig, wenn er Ja sagt, stehen wir vor einer Menge neuer Probleme.
»Es ist unwichtig, was ich will«, meint Markus bitter. »Sie wollen mich nicht sehen…«
»Bist du dir da sicher?«
»Ich habe es doch so oft versucht. Keine Ahnung, was sie den Kindern erzählt haben, wahrscheinlich haben sie ihnen gesagt, ich hätte sie verlassen, weil ich sie nicht lieben würde, oder andere Grausamkeiten dieser Art.« Er schüttelt sich angewidert. »Ich traue den alten Pohlmanns alles zu…«
Ich nicke ernst. Ich auch.
»Hin und wieder habe ich angerufen und versucht, mit ihnen zu sprechen, aber ohne Erfolg. Ich weiß noch, einmal, ich glaube, es war Alex' zehnter Geburtstag, da rief ich an und er ging persönlich ans Telefon. Ich hörte seine Stimme und war total aufgeregt. Ich erklärte ihm, dass dort sein Vater sei, und er wurde ganz still. Ich sagte immer wieder seinen Namen, doch er antwortete nicht und legte schließlich einfach auf. Seitdem habe ich mich nicht mehr getraut, sie anzurufen…«
Ich kann ihn verstehen, sehr gut sogar. Schließlich bin ich jahrelang in einer recht ähnlichen Situation gewesen.
»Aber jetzt sind sie älter und in der Lage, sich selbst eine Meinung zu der ganzen Geschichte zu machen«, sage ich.
»Ja… aber…« Er ist unsicher. »Ich habe Angst.«
Ich nicke wieder. Auch dieses Gefühl kann ich sehr gut nachvollziehen.
»Außerdem seid ihr doch schon eine richtige Familie, oder?« Markus sieht mich prüfend an. »Ich meine, sie haben deinen Vater als ihren akzeptiert, oder?«
»Doch, das haben sie«, gebe ich ehrlich zu. »Soweit ich das beurteilen kann… Ich lebe auch erst seit ein paar Monaten in München.«
»Ach so.« Markus macht ein erstauntes Gesicht. Dann greift er nach seinem Glas und nimmt einen Schluck von dem kühlen Wasser. »Ich weiß, du bist sein Sohn und natürlich kannst du nur Gutes über ihn sagen, aber… es interessiert mich einfach…« Er kratzt sich etwas verlegen am Bart und wird ein bisschen rot. »Ist er ein guter Ehemann und Vater?«
Ich schlucke. Mein Magen krampft sich unangenehm zusammen. Ich sehe Pa vor mir, wie er Jasmin im Kunstsaal küsst, wie er vor mir steht und mich davon überzeugen will, dass ich nicht schwul bin, wie er sich bei den Pohlmanns einschleimt, wie er mich im Ikea zurücklässt…
Und dann sehe ich Pa mit Timmy und Emma im Zoo, wie stolz er über Alex
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