Chaosprinz Band 2
Schultern.
»Na toll, das ist ja sehr genau. Und woher sollen wir dann wissen, wie viel wir einkaufen müssen?« Ich schnaube und stapfe voran in Richtung der Einmachgläser. Kim folgt mir eilig und überfährt dabei beinahe einen älteren Herrn, der fünf Dosen Katzenfutter im Arm hält.
»Ich hasse einkaufen«, murrt Kim hinter mir. Ihm ist es gleich dreimal gelungen, ganz knapp einer Kollision mit einem anderen Einkaufswagen zu entkommen, und jedes Mal hat er sich schrecklich über das Verhalten der Leute aufgeregt.
»Hallo, sind das alles Idioten hier?«, fragt er mich laut, nachdem er beinahe erneut mit einem anderen Wagen zusammengestoßen wäre. »Ich meine, haben die denn noch nie was von rechts vor links gehört?«
»Ich denke nicht, dass die allgemeinen Straßenverkehrsregeln hier gelten, Schatz«, versuche ich, ihn zu beschwichtigen. Kim mault noch eine Weile vor sich hin.
Wir brauchen eine halbe Ewigkeit, bis wir alles beisammen haben. Nun stehen wir vor den Plastikbechern und diskutieren über Form und Farbe. Ich bin definitiv für die Becher mit den lustigen kleinen Luftballons, doch Kim kann sich nicht für sie erwärmen.
»Die sind für einen Kindergeburtstag«, meint er.
»Ich finde sie süß«, sage ich und betrachte die roten, blauen und grünen Ballons. »Oh, und guck mal, da gibt es auch noch passende Hüte… und Luftschlangen… und Luftballons… und Servietten … toll!« Ich strahle.
»Können wir alles kaufen, wenn du neunzehn wirst. Mann, das wird eine Party, wir machen Schokokuss-Wettessen und spielen Blinde Kuh und zum Abendessen gibt es Pommes und Bratwürstchen…« Kim grinst. Und ich schmolle.
»Bitte schön, dann nimm doch deine langweiligen roten Becher und die hässlichen, farblosen Pappteller. Du bist so öde…« Ich breche mitten im Satz ab.
Langes, braunes Haar… glatt und glänzend… Ich kenne diesen Hinterkopf, ich sehe ihn jede Woche mehrmals im Unterricht: Anja. Sie steht keine fünf Meter von uns entfernt mit einem anderen Mädchen an einem Wühltisch.
Ich gehe fluchend in die Knie und verstecke mich hinter unserem Einkaufswagen. Hoffentlich hat sie mich noch nicht gesehen. Himmel, warum muss ich ausgerechnet diese Pute beim Einkaufen treffen?
»Was machst du da? Heulst du jetzt, weil ich die dämlichen Ballon-becher nicht will?« Kim schaut mich verwirrt an.
Ich verdrehe die Augen. »Ja, Kim, ich sitze hier am Boden und heule, weil ich Luftballons so sehr liebe und du ein böser Fiesling bist«, flüstere ich mit vor Spott triefender Stimme.
»Ich kapier's nicht…« Kim schüttelt nur den Kopf.
»Mann…«, zische ich und klammere mich an seiner Hose fest. »Da ist eine Tussi, die mit mir zur Schule geht und… Sie ist Alex' Freundin…« Vorsichtig spähe ich an Kims Beinen vorbei und werfe einen schnellen Blick auf Anja und ihre Freundin. Die beiden begutachten die T-Shirts und diskutieren leise miteinander.
Kim dreht sich zu den Mädchen um. »Welche?«, fragt er laut.
»Psssst«, zische ich und kneife ihm in den Oberschenkel.
»Autsch, spinnst du?« Er greift nach meinem Handgelenk und zerrt mich unsanft auf die Beine. »Was soll das Theater?«
»Ich will nicht mit der Kuh sprechen«, jammere ich und versuche, mich eilig aus seinem Griff zu befreien.
»Tobi?«
… zu spät! Ich mache mich ganz klein, beuge mich über unseren Einkaufswagen und tue so, als würde ich das Kleingedruckte auf einer Chipspackung lesen. Inhaltsstoffe… Geschmacksverstärker… Farbstoffe… sehr interessant…
»Tobi?« Sie kommt auf uns zu. Anja steht nun direkt vor mir und klingt ein bisschen ungehalten. Ich sehe ein, es bringt nichts, sie weiter zu ignorieren. Seufzend richte ich mich auf. Ich versuche es mit einem überraschten Gesichtsausdruck.
»Was? … Oh, hallo, ich habe dich gar nicht gesehen.« Eine schwache Vorstellung. Da kann jeder Dailysoap-Schauspieler besser heucheln.
»Hm…«, macht Anja nur und mustert mich aus kühlen Augen.
Ich habe keine Ahnung, was ich mit ihr reden soll. Ich habe sie nur ein paar Mal außerhalb der Schule gesehen und da ist sie meist in Begleitung von Alex gewesen. Geredet haben wir allerdings nie. Ich war immer viel zu sehr damit beschäftigt, ihr eine schreckliche Krankheit an den Hals zu wünschen.
»Was machst du denn hier?« Eine sehr intelligente Frage, lobe ich mich selbst.
»Einkaufen«, antwortet sie knapp. Sicher, was soll sie denn auch sonst in einem Supermarkt machen? Golf spielen oder Koalabären füttern?
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