Chaosprinz Band 2
Pizzablech.
»Soll ich dir helfen?«, frage ich.
»Nee, lieb von dir, aber ich bin gleich fertig.« Sie lächelt mich an.
Aus dem Flur dringen laute Stimmen. Es wird sich begrüßt, gelacht und herumgealbert. Ich zupfe nervös an den Servietten auf dem Küchentisch herum. Agnes schiebt eines der beiden Bleche in den vorgewärmten Backofen.
Holger erscheint im Rahmen der Küchentür. »Na ihr, wie sieht's aus?«, fragt er und lächelt mich an. Sein braunes, widerborstiges Haar hat er zu einem langen Pferdeschwanz zusammengebunden. Er trägt ein schwarzes T-Shirt auf dem es heißt: Jesus rockt! Eine Aussage, die ich so nicht unterschreiben kann, da ich Jesus leider noch nicht persönlich kennengelernt habe.
»Super, wir haben alles im Griff«, meint Agnes freundlich.
»Wer ist denn gerade gekommen?«
»Ein paar Leute von der Uni… Ahmed, Sandra, Oli, Torben und Eddy…«
»Toll«, freut sich Agnes.
Und schon erscheinen einige fremde Gesichter neben Holger im Türrahmen. Es gibt ein großes Hallo. Agnes nimmt jeden in den Arm und verteilt Küsschen. Ich stehe neben dem Küchentisch und fühle mich sehr klein. Klein und allein. Agnes und Holger lachen und erzählen. Man kennt sich eben.
»Jetzt stehen wieder alle im Flur rum, wie typisch!« Das ist Kims Stimme. Hell, laut und fröhlich. »Leute, verzieht euch ins Wohnzimmer und nehmt euch was zu trinken.« Die Gäste sparen nicht an amüsierten Kommentaren, befolgen dann aber Kims Befehl und gehen ins Wohnzimmer.
Im Fünf-Minuten-Takt klingelt es nun an der Tür. Immer neue Gäste strömen in die Wohnung. Allein, zu zweit oder als kleine Gruppe. Die meisten sind Studenten. Freunde von Agnes und Holger, die Kim auf irgendwelchen Partys kennengelernt hat. Er ist ein Mensch, der nicht lange braucht, um mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Kim geht alleine auf eine Party, kennt keine Menschenseele und hat am Ende des Abends mindestens sechs neue Bekannte.
Ich könnte das nie. Bei Fremden werde ich schüchtern.
»Réné, das ist mein Freund Tobi. Tobi, das ist Réné, er studiert Maschinenbau und wir kennen uns von der Geburtstagsparty von Agnes' bester Freundin Iris. Réné und ich saßen zwei Stunden lang auf einem Sofa und haben uns darum gestritten, welcher Verein besser ist: HSV oder FC Bayern.« Kim lacht. Ich grinse den großen, breitschultrigen Typen mit dem blonden Bürstenschnitt unsicher an.
»Und natürlich haben wir uns auf Bayern geeinigt«, grölt der Kerl gut gelaunt.
»Das hättest du wohl gerne«, unterbricht ihn Kim rasch. »Der HSV ist viel besser!«
»Du warst am Ende des Abends so besoffen, du konntest nicht einmal mehr HSV sagen…«
Da muss Kim lachend zustimmen. Die beiden stoßen mit ihren Bierflaschen an. Ich stehe stumm daneben.
»Du hast ja noch gar nichts zu trinken«, stellt Kim fest und legt einen Arm um mich. »Was willst du, ich hol dir was.«
»Nur ein Bier…«, sage ich leise.
»Warte hier!« Er dreht sich um und geht in Richtung der kleinen, provisorischen Bar.
Es ist jetzt zweiundzwanzig Uhr. Immer noch kommen ständig neue Gäste und das obwohl die kleine Wohnung schon beinahe aus allen Nähten platzt. Ich kann es kaum glauben, wie viele Leute gekommen sind. Hoffentlich reichen unsere Vorräte…
Kim muss natürlich alle einzeln begrüßen, schließlich ist er der Gastgeber. Er nimmt hier jemanden in den Arm, verteilt dort Küsschen und hält zwischendrin noch ein kleines Schwätzchen. Auch jetzt kommt er nicht sehr weit. Eine junge Frau hat ihn entdeckt und scheinbar haben sie sich noch nicht begrüßt. Freudig fallen sie sich in die Arme, reden miteinander und lachen. Ich denke, auf mein Bier kann ich lange warten.
Am Anfang bin ich ihm hinterhergedackelt. Er hat mich vorgestellt, ich habe schüchtern gegrinst und hier und da an einer Salzstange geknabbert. Mir ist klar, Kim hat gerade irre viel zu tun, er kann sich nicht mit mir aufs Sofa setzen und ein bisschen schmusen, trotzdem vermisse ich seine Aufmerksamkeit.
Ich sammle die halbleeren Schalen ein, fülle Gummibärchen und Chips a uf, verteile die Schüsseln wieder auf dem niedrigen Wohnzimmertisch und der Bar und schaue alle paar Minuten nach der Pizza. Es muss ja jemand auf diese Sachen achten und so habe ich wenigstens etwas zu tun. Eifrig mache ich mich an die Arbeit und bereite Blech Nummer drei vor.
»Wenigstens einer, der fleißig ist.«
Diese Stimme kenne ich doch. Ich wasche mir gerade die Hände und schütte mir beinahe einen Schwung Wasser
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