Charade - Bittersueßes Spiel
paar Mal angerufen. Ich bin überrascht, dass er es überhaupt versucht hat. Seine Anwesenheit erinnert mich daran, wie es ist, am Rand eines Stickers zu pulen. Mit seinem Nagel versucht er, eine Schicht, eine Mauer, die ich aufgebaut habe, zu zerstören. Ich darf diese Schutzschicht nicht verlieren.
»So ist das jetzt also? Ich spiele dein Spiel und dann ignorierst du mich?«
Was kümmert es ihn? Und was erwartet er? Ein Teil von mir kennt die Antworten auf diese Fragen. Der Tod verbindet uns. Für mich liegt er in der Vergangenheit, für ihn in der Zukunft.
»Ich ignoriere dich nicht. Ich hab’s nur eilig.«
Er bleibt stehen. »Was immer dich nachts schlafen lässt, Prinzessin.«
Ich werde ihn umbringen! Mit verschränkten Armen, die Füße fest auf dem Boden, sehe ich ihn an. »Hör. Auf. Mich. Prinzessin. Zu. Nennen!«
Colt grinst. Es wirkt seltsam mit all den Tattoos, den zerzausten Haaren und den abgetragenen Jeans und dem T-Shirt. Ein Blick genügt, um zu wissen, dass er sich nichts gefallen lässt. Dass sein Leben nie leicht war und Narben hinterlassen hat. Aber wenn er lächelt? Wenn er wirklich lächelt, ist es perfekt. Wie in einer Zahnpastawerbung; so hübsch wie der Junge von nebenan, und das macht es einem wahrhaft schwer, ihm böse zu sein.
Außerdem weiß ich, dass ich gerade genau das getan habe, was er wollte. Ich habe reagiert. Das hatte ich nicht mehr vor, aber ich konnte nicht anders. »Warum tust du das?«
»Ich rede doch nur mit dir. Was stimmt daran nicht?«
»Du weißt, was ich meine.«
Er hebt eine Schulter, und die Verwirrung in seinem Blick sagt mir, dass er es vielleicht selbst nicht weiß.
»Colt! Verdammt noch mal, komm hier her! Du hast zehn Sekunden oder ich verschwinde!«, ruft Adrian von einem Auto am Straßenrand aus.
»Bastard«, murmelt Colt. »Hol dir deinen Kaffee. Ohne dein Koffein bist du noch unerträglicher.«
Ein Lächeln begleitet seine Worte, und ich schaffe es nicht, böse auf ihn zu sein.
Das erste Mal seit langer Zeit gehen wir nicht wütend auseinander. Niemand stürmt davon. Wir mögen zwar in verschiedene Richtungen gehen, aber wir tun es zusammen.
Ich habe keine Ahnung, in wessen Haus wir uns befinden. Die Musik ist laut, es sind ziemlich viele Leute da, und es gibt eine Menge Alkohol, von dem ich bereits einiges intus habe. Mein Schwips und das Kribbeln, das er mit sich bringt, verdrängen alle meine ungewollten Gedanken.
Andy habe ich schon vor einer ganzen Weile verloren, aber das ist mir diesmal egal. Ich tanze, trinke, und es kümmert mich nicht, wer oder was mich umgibt. Jemand drückt sich gegen meinen Rücken und legt eine Hand auf meine Hüfte. Ich drehe mich um und blicke in Gregorys Gesicht. »Ich kann mich nicht daran erinnern, dir das erlaubt zu haben«, fauche ich ihn an.
»Ach, komm schon, Chey. Wir tanzen doch nur.«
»Wo ist Red?« Er lässt seine Hand, wo sie ist, also bringe ich mich außerhalb seiner Reichweite.
Gregory runzelt die Stirn, doch dann scheint er zu verstehen, wen ich meine. »Maxine? Ich bin nicht mit ihr zusammen. Es war nur Sex. Du warst immer die Einzige, die ich wollte.« Er nähert sich mir wieder, und sein Mund streift beinahe mein Ohr. »Wir geben ein gutes Paar ab, du und ich. Das weißt du. Ich habe Mist gebaut, aber das wird nicht wieder vorkommen.«
Alles dreht sich. Zum Teil wegen des Alkohols, aber auch, wegen Gregorys Worten. Ich sollte das wollen.
Ihn wollen
. Mit ihm kann ich normal sein und Moms Leiche im Wald und all die Tränen, ja sogar Colt vergessen.
Ich blicke ihn an. Ob er all das verschwinden lassen kann? Ob ich wieder so tun kann, als wäre alles normal?
Gregory lächelt, und mein Bauch schmerzt. Nein, das kann er nicht. Er hat mich verletzt, und ich kann ihm nicht mehr vertrauen. Vielleicht sind alle Männer so. Vielleicht ist keinem von ihnen zu trauen.
»Ich muss gehen.« Ich reiße mich von ihm los und schlängle mich durch die Menschenmenge. Die Musik ist plötzlich zu laut, beinahe, als besäße sie ein Echo. Das Schwindelgefühl nimmt zu, fühlt sich an, als würde in mir ein Wirbelsturm toben.
»Chey! Warte!«
Ich gehe weiter, und dasselbe macht Gregory. Als er meine Hand zu fassen bekommt, versuche ich, sie ihm wieder zu entziehen, doch es funktioniert nicht. Ich gehe weiter und ziehe ihn mit mir. Ich muss an die frische Luft.
»Nach wem suchst du denn, Kleine? Hast du deine Mama verloren?« Der Atem des Mannes stinkt nach Alkohol und etwas anderem, das ich nicht
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