Charlie Chan macht weiter
verließ lächelnd und heiter die Kabine.
Nach dem Dinner traf er Mrs. Luce und Pamela Potter in Liegestühlen an Deck an.
»Darf ich Sie mit meiner unangenehmen Gegenwart belästigen?« fragte er.
»Setzen Sie sich, Mr. Chan!« sagte die alte Dame.
»Ich habe nicht viel von Ihnen gesehen auf dieser Reise. Aber ich schätze, Sie sind ein sehr beschäftigter Mann?«
»Nicht so beschäftigt, wie ich erwartet hatte.«
»Wirklich?« Sie musterte ihn fragend. »Zauberhafter Abend, nicht wahr? Dieses Wetter erinnert mich an den südafrikanischen Busch. Ich hab’ mal ein Jahr lang dort gelebt.«
»Haben die Landkarte ziemlich genau erforscht, wie?«
»Ja. Bin viel auf den Beinen gewesen. Hab’ vor, mich jetzt in Pasadena niederzulassen. Aber derartige Gefühle habe ich meistens am Ende einer langer Tour.
Irgendwann komme ich dann an einer Auslage mit Prospekten von Kreuzfahrten vorbei – und schon werde ich wieder auf Achse sein.«
Charlie wandte sich dem Mädchen zu. »Darf ich so kühn sein und nach letztem Abend fragen? Vielleicht haben Sie jungen Mann ein bißchen mehr verführt?«
»Als kleines Mädchen habe ich immer Schneemänner gebaut. Es ist interessant, einen zu treffen, der herumlaufen kann.« Sie lächelte.
»Sie haben zwei weitere Nächte – mit viel Mondschein.«
»Und wenn mir arktische Nächte und sechs Monate zur Verfügung stehen würden…«
»Ausdauer siegt«, tröstete sie Chan. »Das habe ich selbst erfahren. Übrigens – haben Sie Captain Keane Belohnung versprochen, wenn er Mörder Ihres Großvaters findet?«
»Warum? Nein.«
»Er hat aber mit Ihnen darüber gesprochen?«
»Er hat über gar nichts mit mir gesprochen.«
Chans Augen wurden schmal. »Wahrheit ist nicht in ihm.« Er blickte auf das Blatt Papier und den Füllhalter in der Hand des Mädchens. »Pardon – glaube, ich habe gestört. Sie schreiben Brief?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich – ich… Nun, ich habe nur über unser Rätsel nachgedacht. Die Zeit wird ziemlich knapp jetzt.«
Er nickte ernst. »Niemand weiß das besser.«
»Und ich habe nicht das Gefühl, daß wir irgendwie weitergekommen sind. Oh – tut mir leid – doch Sie sind ziemlich spät in den Fall eingestiegen. Ich habe soeben eine Liste von den Männern unserer Gruppe gemacht und neben den Namen eines jeden das, was gegen ihn spricht, geschrieben. Außer Mr. Minchin und Mark Kennaway scheint mir jeder…«
»Ihre Liste ist nicht vollständig. Auch diese beiden haben keinen Anspruch auf weiße Weste.«
Sie japste nach Luft. »Wollen Sie damit sagen, daß jeder etwas damit zu tun hatte?«
Chan erhob sich, nahm ihr sanft das Blatt Papier aus der Hand, zerriß es in winzige Fetzen und warf diese über Bord. »Zerbrechen Sie sich nicht hübsches Köpfchen! Der Fall ist bereits erledigt.«
»Was sagen Sie da?« rief sie aus.
»Natürlich bleiben noch harte Untersuchungen, um Beweise zu finden, die von englischen Gerichten akzeptiert werden, aber sie werden gefunden.«
»Sie wollen sagen, Sie wissen, wer meinen Großvater getötet hat?«
»Sie wissen es nicht?« fragte Charlie zurück.
»Natürlich nicht. Wie sollte ich?«
Charlie lächelte. »Sie hatten selbe Möglichkeiten wie ich. Aber Ihr Kopf war voll von jungem Mann, der Sie ärgert. Ich dagegen arbeitete nicht mit solchem Handikap.«
Mit einer wundervollen Verbeugung, die beiden galt, schlenderte er von dannen.
21
Pamela Potter starrte mit erstaunt aufgerissenen Augen Mrs. Luce an. »Was, in aller Welt, hat Mr. Chan damit gemeint?«
Mrs. Luce lächelte ebenfalls. »Er hat gemeint, daß er weiß, wer Ihren Großvater getötet hat, meine Liebe.
Ich hatte gewußt, daß er es herausfinden würde.«
»Aber wie hat er es herausgefunden? Er hat gesagt, ich müßte es auch wissen, aber ich…«
»Selbst für Ihre Generation sind Sie ein cleveres Mädchen«, meinte die alte Lady. »Doch Sie sind eben nicht so clever wie Charlie Chan. Nicht viele sind das.«
Sie erhob sich. »Da kommt der junge Kennaway. Ich glaube, ich gehe in den Aufenthaltsraum.«
»Oh – bitte, laufen Sie nicht weg!«
»Ich war auch einmal jung, Pamela.«
Sie steuerte auf die entfernte Tür zu. Kennaway setzte sich unterdessen zaghaft auf die Fußstütze des Liegestuhls, den die alte Dame soeben verlassen hatte.
»Wieder ein Tag vorüber«, bemerkte er. Das Mädchen nickte.
»Sie scheinen nicht sehr redselig.«
»Das sollte eine Wohltat sein. Ich – ich habe nachgedacht. Mr. Chan hat mir soeben
Weitere Kostenlose Bücher