Charlie Chan macht weiter
Deck und suchte schließlich seine Kabine auf, wo er sofort zu Bett ging und alsbald in einen traumlosen Schlaf fiel.
Am nächsten Morgen war er um acht Uhr erneut an Deck. Die letzten vierundzwanzig Stunden der Reise rückten heran, doch das ließ ihn augenscheinlich unberührt.
Später am Morgen bekam er ein langes Funktelegramm von Duff. Er zog sich damit in seine Kabine zurück.
Ausgezeichnete Neuigkeiten! Wie kann ich Ihnen je danken? Holen Sie sich die Beweise, Charlie! Chef telegrafiert, Nachforschungen über Verkäufer in,- Juwelierladen in Kalkutta haben ihn als einstigen illegalen Diamanten-Einkäufer aus Südafrika entlarvt. Weitere Umfragen bei Diamantenhändlern in Amsterdam ergaben, vor etwa fünfzehn Jahren hat um Kimberley herum noch ein anderer illegaler Diamanteneinkäufer existiert – Name Jim Everhard. Könnte hilfreich sein. Denken Sie an Beutel mit Steinen! Scotland-Yard-Mann Sergeant Wales, zur Zeit meines Unfalles in New York, jetzt in San Francisco, wird Sie am Pier erwarten mit Verhaftungsvollmachten. Bei ihm unser Freund Flanery. Wie in alten Zeiten. Tut mir so leid, nicht dabeisein zu können. Genese rasch. Bin bald an der Pazifikküste. Warten Sie dort auf meinen Dank! Cheerio! Viel Glück!
Nachdem Chan den Text noch ein zweitesmal gelesen hatte, zerriß er ihn in kleine Fetzen, die er durch das Bullauge warf. Spät am Nachmittag kam Benbow zu ihm.
»Ich weiß nicht, ob Sie es richtig verstanden haben oder nicht, Mr. Chan – Sie sind natürlich eingeladen zu unserer Party heute abend«, teilte er ihm mit. »Könnte nicht ohne Sie auskommen. Polizisten rund um die Welt…«
Chan verneigte sich. »Ich nehme an, mit grenzenlosem Vergnügen. Sie werden Ihre Filme zeigen?«
»Ja. Ich darf das Wohnzimmer einer der leeren Luxuskabinen benutzen. Wir treffen uns dort um acht Uhr dreißig. Ich habe mir vom Zahlmeister eine Leinwand geborgt, doch ich muß sagen, niemand scheint sehr interessiert zu sein.«
»Ich bin mächtig interessiert«, versicherte ihm Chan.
»Ja, aber der Rest… Man sollte meinen, sie seien ganz scharf darauf, die Bilder zu sehen. Ihre eigene Reise!«
Er seufzte. »Ein Mann mit einer Kamera wird selten ermutigt. Also dann, in Kabine A um acht Uhr dreißig!«
»Sie sind zu freundlich. Fühle mich unaussprechlich geehrt.«
Gegen acht Uhr verschwand der klare Himmel plötzlich hinter einem undurchdringlichen Vorhang. Das Schiff steuerte behutsam durch dicken Nebel, der den Morgen in London in Erinnerung rief, an dem Hugh Morris Drake tot in einem Hotelzimmer gelegen hatte. In Intervallen forderte das Nebelhorn mit tiefer, sonorer Stimme einen Moment lang die alleinige Aufmerksamkeit aller an Bord.
Als Charlie um acht Uhr dreißig die Tür zur Kabine A aufstieß, schienen sich alle Mitglieder der Gruppe bereits versammelt zu haben. Sie standen schwatzend herum, aber Mrs. Benbow hatte sie bald in einem Halbkreis vor der weißen Leinwand aufgereiht. Und vor dieser hampelte Benbow aufgeregt herum.
Während sie warteten, begann Charlie zu sprechen.
»Ganzes Leben lang hatte ich unerträgliche Sehnsucht, zu reisen – das heißt eine ausgedehnte Reise zu machen, wie Sie sie jetzt beenden. Habe nun unstillbaren Wunsch, etwas zu erfahren: Was von all dem auf der langen Reise Gesehenen sticht heraus zwischen all den Erinnerungen? Mrs. Luce, Sie sind herumgekommen. Was hat Sie auf letzter Weltreise am meisten interessiert?«
»Das kann ich Ihnen auf Anhieb sagen«, erwiderte die alte Lady. »Eine Truppe von dressierten Katzen in einer Varieteaufführung in Nizza. Die werde ich nie vergessen.«
Dr. Lofton lächelte. »Sie brauchen nicht so überrascht dreinzublicken, Mr. Chan. Ich stelle stets kurz vor dem Ende einer Tour dieselbe Frage, und die Antworten machen mich oft sprachlos.«
Er hatte recht; es waren tatsächlich die kuriosesten Details, die den einzelnen Teilnehmern seiner Gruppe besonders im Gedächtnis haftengeblieben waren, allerdings waren sie auch sehr charakteristisch für die verschiedenen Typen. Mrs. Spicer, zum Beispiel, erinnerte sich an ein traumhaftes Kleid in der Oper in Paris und Ross an die Bäume im Wald von Fontainebleau, während Keane die letzte Nacht in Yokohama im Gedächtnis geblieben war.
»Ich bin in der Stadt herumspaziert und in ein Telegrafenamt gegangen«, erzählte er. »Dort sah ich Dr.
Lofton und diesen kleinen Steward Welby. Ich fragte den Doktor, ob er zum Schiff zurückgehen würde, aber er hat mich abgeschüttelt –
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