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Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Titel: Charlotte Und Die Geister Von Darkling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boccacino
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antwortete, ich solle sie in Ruhe lassen. Der Wind zerrte an ihr, riss ihr die Kleider vom Leib, ihr Haar und dann ihr Fleisch. Ich sah es voll Grauen, versuchte vergeblich gegen den Wind nach ihr zu greifen und schrie auf, als sie mir buchstäblich durch die Finger glitt.
    Ich war bereits angekleidet, als jemand kräftig an meine Tür pochte.
    »Ja?«
    Ein Dienstmädchen trat ein. Sie war jung und besaß die gleiche blassgelblich-pfirsichfarbene Haut wie Duncan. Sie bedeutete mir, ihr in den Korridor zu folgen. Ich sah nach den Buben, aber ihr Zimmer war leer. In mir verkrampfte sich alles. Ich eilte die große Treppe hinab und durch die Eingangshalle, während mit jedem Schritt die Lichter aufflammten, dann dunkel wurden und zuletzt verschwanden. Schließlich erreichte ich das Esszimmer am anderen Ende des Hauses.
    Als ich eintrat, hatte ich das Gefühl, in ein mittelalterliches Bankett hineinzuplatzen. Der schwere Tisch war üppig gedeckt mit Scheiben von Fleisch, noch nicht von den Knochen gelöst, Platten mit aufgeschnittenen Früchten, Schüsseln mit Eiern undKäse, Kannen mit Kaffee und Tee, Bergen von Fisch und einer Reihe anderer Delikatessen, die ich kaum identifizieren konnte.
    James und Paul saßen nebeneinander ihrer Mutter gegenüber. Ein blasses junges Mädchen saß neben Mrs. Darrow. Die Kopfenden des Tisches hatten zwei Herren eingenommen. Den ersten erkannte ich als den großen Mann aus der vergangenen Nacht wieder. Er schien sich offenbar von der nächtlichen Eskapade erholt zu haben, denn er sprach eifrig einer Platte mit Wurst und Schinken zu. Von dem zweiten konnte ich nur annehmen, dass es sich um den oft erwähnten Mr. Whatley handelte. Beide Männer erhoben sich von ihren Stühlen.
    »Charlotte, wie schön, dass Sie uns Gesellschaft leisten«, sagte Lily. »Ich darf Sie mit Mr. Samson bekannt machen.« Der beleibte Herr nickte grüßend und noch immer kauend. »Und natürlich mit Mr. Whatley.«
    Ich nickte ebenfalls. Mr. Whatley war imposant. Er war nicht übergewichtig oder fett, aber er war groß. Nicht so groß, dass man ihn als Riesen bezeichnen würde, aber definitiv übergroß im Vergleich zu dem, was man als normal erachten konnte. Seine beachtlichen Hände griffen nach einer Serviette auf dem Tisch und betupften damit seine Mundwinkel. Die Lippen waren schmal, seine Züge rau; von der Art, die immer ein wenig unrasiert wirkt. Er machte einen etwas derangierten Eindruck. Sein Haar war wild und unfrisiert, die teure Kleidung zerknittert. Sein Kragen hing schief, und das Hemd steckte nicht vollständig in der Hose. Doch das Interessanteste an ihm waren seine Augen – so dunkel, dass ihnen kein Licht entwich und dass nichts sich in ihnen spiegelte. Sie waren unlesbar, und während wir einander über den Tisch hinweg anblickten, spürte ich eine wachsende Besorgnis. Das war ein Mann, den man sehr ernst nehmen musste.
    »Willkommen, Mrs. Markham«, sagte er mit tiefer Stimme,der dieselbe Macht innezuwohnen schien wie seinen Augen. Gleichzeitig schwang eine prahlerische Arroganz in ihr, als fiele es ihm schwer, irgendetwas wirklich ernst zu nehmen. »Bitte. Setzen Sie sich.«
    Es klang mehr nach einem Befehl als nach einer Einladung, deshalb wartete ich einen Moment ab, um zu sehen, was er tun würde. Whatley widmete sich wieder seinem Frühstück, und als er gewahr wurde, dass ich seiner Aufforderung nicht Folge geleistet hatte, lehnte er sich vor und wandte sich erneut an mich.
    »Sehr freundlich von Ihnen, dass Sie die Kinder brachten.« Er deutete auf den Stuhl, den Mrs. Darrow mir angeboten hatte.
    »Kinder brauchen ihre Mütter, kleine Jungen ganz besonders.« Ich nickte Mrs. Darrow unmerklich zu und setzte mich neben James und Paul. Ich wollte nicht unverschämt erscheinen oder mich querstellen, wenigstens nicht zu diesem Zeitpunkt. Ich wollte ihn lediglich testen, und das war mir gelungen. Er schien geduldig zu sein, jene Art von Jäger, die sich auf die Lauer legt.
    »Leider, leider gibt es keine ausgeprägten mütterlichen Gefühle bei den Leuten in der Endwelt«, sagte Mr. Samson zwischen zwei Bissen.
    »Dann tut ihr mir leid.« Ich legte mein Mundtuch auf meinen Schoß und bediente mich. Mr. Whatleys Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln.
    »So? Tun wir das?«
    »Ja. Es gibt nichts Vergleichbares zur Liebe einer Mutter. Kinder sollten sie erfahren können, solange es möglich ist.« Ich nickte zu den Jungen und Richtung Lily.
    »Solange sie gut für das Kind ist?«, fragte

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