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Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Titel: Charlotte Und Die Geister Von Darkling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boccacino
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wandte.
    »Olivia, entschuldigst du mich einen Augenblick? Ich möchte den Kindern etwas zeigen.«
    Das Mädchen nickte mit seinem typischen kühlen Gleichmut. Sie war zu versunken in die Gestaltung einer Landschaft, die sich zu bewegen schien, während sie die Details herausarbeitete.
    Mrs. Darrow führte uns aus dem Salon über eine Zugbrücke zwischen zwei nach Lavendel duftenden Wasserfällen. Es ging durch einen Raum, in dem es schneite, und in dem ich Mühe hatte, die beiden Buben davon abzuhalten, einander mit Schneebällen zu bewerfen. Schließlich erreichten wir einen leeren Bankettsaal, der einem mittelalterlichen Schloss entnommen schien. Grob behauene Holzbalken trugen die Decke, und die Wände bestanden aus zerfallendem porösen Stein. Am anderen Ende befand sich eine Tür; ein scheußliches Ding, aus schwarzem Schmiedeeisen, das den Rahmen wie wuchernder Efeu ausfüllte, mit einem silbernen Klopfer in der Mitte. Lily hielt davor an.
    »Sagt mir, was ihr seht.«
    »Eine Tür«, sagte James.
    »Ja, aber wie sieht sie aus?«
    »Sie ist schwer, aus Eichenholz«, erwiderte Paul. »Mit metallenen Nieten.«
    Sein kleiner Bruder warf ihm einen Blick zu, wie er typisch für Geschwister ist; eine Mischung aus Unglauben und Bedauern, dass er wirklich mit so einem blinden Huhn verwandt sein könnte.
    »Das ist doch nicht alles. Was ist mit den Wasserspeiern?«
    Lily trat zwischen die beiden. »Die Tür sieht für jeden anders aus. Einigen zeigt sie die Dinge, die sie am dringendsten brauchen, anderen eine Version des Lebens, das sie nicht gelebthaben. Manche sagen, sie kann sogar die Zukunft voraussagen. Sehen wir uns an, was sie uns zeigen will?«
    Ich wollte etwas dagegen einwenden, denn es gibt Dinge, die Kinder besser nicht wissen sollten, aber sie hatte die Tür bereits geöffnet. Jenseits der Schwelle befand sich eine Finsternis, die in die Halle hereinquoll und uns umfasste. Ich konnte die Darrows aber noch immer gut erkennen, denn ein dutzend Lichtpunkte kreisten um sie und nahmen die Form von gerahmten Porträts an.
    Das erste zeigte Mrs. Darrow auf dem Krankenlager in Everton, eine Hand an der Stirn, die zerknitterten Satinlaken sorgsam drapiert wie auf einem Gemälde aus dem Atelier eines Romantikers, während ein Arzt ihren Puls fühlte. Seine Stimme hallte durch die Leere, hohl und fern. »Madam, ich glaube, Sie werden wieder genesen.«
    Die Szene endete, und das Trio begab sich zum nächsten Porträt, das Weihnachten in Everton zeigte. Das Haus war mit einer Liebe zum Detail dekoriert, die mir höchste Bewunderung abrang. Mrs. Darrow saß vor dem Kamin und beobachtete ihre Familie. Eine ältere Version von Paul mit einem kleinen Jungen in den Armen, und die Frau, mit der er verheiratet sein mochte, mit einem kleinen Mädchen an der Hand, standen vor einem herrlichen Weihnachtsbaum und halfen den Kindern dabei, ihr Spielzeug auszusuchen. Ein James im Jünglingsalter hielt auf der anderen Seite des Raumes eine junge kichernde Frau unter einem Mistelzweig umschlungen und küsste sie ganz ungeniert auf die Wange. Mr. Darrow gesellte sich zu seiner Frau vor dem Kamin und nahm ihre Hand in seine. Ich errötete. Das waren private Augenblicke, die es nie geben würde, nie geben konnte.
    Mein Unbehagen war offensichtlich und drohte in etwas ganz anderes umzuschlagen. Ich fand keine Worte für den Ärger, den ich in diesem Augenblick spürte. Ich war hintergangen worden. Die Kinder sollten sich eigentlich von ihrer Mutter verabschieden. Deshalb hatte ich sie hergebracht. Stattdessen ließ Lily sie in ihrem Verlust schwelgen; sie erlaubte, dass die Jungs sich hineinsteigerten in Dinge, die nie sein konnten, in Leben, die sie nicht würden leben können.
    Aber war ich denn so anders? Träumte ich nicht jede Nacht von Jonathan oder meinen Eltern? Mein Ärger richtete sich gegen mich selbst. Was wir hier taten, war gefährlich.
    Ich wich von ihnen zurück und suchte einen Weg aus dem Raum. In der Ferne sah ich einen weiteren Lichtpunkt. Ich bewegte mich in der Hoffnung darauf zu, dort einen Ausgang zu finden. Doch es war nur ein weiterer der schwebenden Bilderrahmen. Dann erkannte ich meinen Irrtum. Ich sah mich selbst in dem Rahmen, millionenfach zersplittert   … Das waren keine Porträts, sondern Spiegel, und von diesem fehlte ein Stück. Selbst in dem zersplitterten Spiegel konnte ich den Ausdruck des Begreifens auf meinem Gesicht erkennen, der sich zuerst in Abscheu und dann in Zorn verwandelte.
    Ich

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